Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See
Löwe ist los!«, schrie er und hetzte die Stu fen hinauf.
Ich hinterher.
»Der Löwe ist los! Rette sich, wer kann!«
Der Ruf wurde aufgenommen, heiser weitergegeben. Panik brach aus! Koh leschipper warfen ihre Schaufeln fort, Maschinenschmierer ließen ihre Ölkannen fallen, Heizer rutschten auf dem schmie rigen Boden aus. Eine Sirene jaulte auf, Kohlen prasselten aus den Schütten, schwarzer Ruß staubte.
Jock stürmte die Treppe hoch.
Ich hinterher.
»Der Löwe ist los! Rette sich, wer kann!«
Panik im Zwischendeck. Essschüsseln flogen vom Tisch, Kinder heulten, Männer brüllten, Teller, Becher und Krüge zersplitterten, Frauen kreischten, Bündel platzten, Kisten barsten. Alles stolperte in jede Richtung, manche zogen sich Decken und Laken über den Kopf oder krochen unter die Betten.
Jock raste weiter und erreichte die Kombüse.
»Der Löwe ist los! Rette sich, wer kann!«
Ein Tohuwabohu entstand. Wüste Flüche erklangen, Töpfe rutschten vom Herd, Be ste cke schepperten zu Boden, der Koch rempelte einen Küchenjungen an, der ein Schlachtermesser ergriffen hatte, rutschte aus, Suppe
ergoss sich über beide, die Hilfsköche suchten in der Speisekammer Zuflucht, Türen knallten, Hilferufe gellten durch den Gang, das Trillern der Bootsmannspfeife schrillte mir in den Ohren.
Jock hechtete die nächste Treppe hoch.
Ich noch immer hinter ihm her. Es begann, mir Spaß zu machen.
Er erreichte den Speisesaal.
»Der Löwe ist los! Rette sich, wer kann!«
Das blanke Chaos brach los! Stewards ließen Tabletts fallen, Serviermädchen quiekten, Herren warfen Tische um, ei nige Frauen erklommen andere. Wein flaschen zerbrachen, Champagner schäumte über, man drängte sich an die Wände, eine Dame sank ohnmächtig gegen den Flügel auf der Bühne, und ein donnernder Akkord erklang.
Dann aber trat Ron auf den Plan. Er hatte eine Flüstertüte in der Hand und donnerte von der Tür her »Ruhe!« in den Raum. »Ruhe, Herrschaften!«
Dann knallte er die Flügeltüren hinter sich zu, und ganz allmählich gelang es ihm, sich Gehör zu verschaffen.
Die Passagiere kamen von den Tischen runter oder unter den Tischen hervor, die Stewards, Pagen und Serviermädchen versam melten sich um Ron, die Ohn mächtige wurde auf ein Sofa ge legt, man richtete umgeworfenen Stühle auf und setzte sich nieder. Alles schwieg.
Jock stand mitten im Raum, verschmiert von Öl, Kohle, Blut und – ähm.
Ich war in der gan zen Aufregung auf der An richte gelandet und saß neben einem Teller mit dünnen Roastbeefscheiben.
Plötzlich entdeckte ich, dass ich hungrig wie ein Löwe war.
Köstlich, das Zeug!
Währenddessen sprach Ron mit normaler Stimme zu den Leuten, die Flüstertüte war jetzt nicht mehr nötig.
»Es besteht kein Grund zur Auf regung, meine Herrschaften!«
Stimmt, Ron. Überhaupt keiner.
»Beruhigen Sie sich, bitte. Es gibt keinen lebenden Löwen an Bord.«
Diese Sah nesauce roch auch sehr ap petit lich. Ich stippte die Pfote hinein und leckte sie ab. Richtig gut.
»Aber der Zirkuslöwe …«, begehrte ein dickwanstiger Herr auf, der sich noch immer hinter einem umgestürzten Tisch verbarrikadiert hatte.
»Der Zirkuslöwe ist letzte Nacht gestorben, mei ne Herrschaften. Ich fürchte, dass unser Maschinist seinen eingebildeten Ängsten erlegen ist. Und nun, Stewards, sorgen Sie für Ordnung!«
Ron löste sich vom Eingang und ging auf Jock zu. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Ich nahm noch einen Happen Entenbrust. Auch nicht schlecht, nein, kann man nicht sagen.
»Kerl, was ist nur in Sie ge fahren?«, fauchte er den Mann an.
»Da war ein Löwe. Ob Sie’s glauben oder nicht. Der ist nicht tot. Der hat mich angefallen. Von hinten angesprungen hat der mich. Mir die Pranken in den Arm geschlagen.«
Ron ließ ei nen verächt lichen Blick auf Jocks bloßen Unterarm fallen. Da, wo die hochgerollten Ärmel endeten,
hatten meine Krallen vier schöne, lange Striemen hinterlassen.
»Wenn Sie ein Löwe dort getroffen hätte, wäre von dem Arm nichts mehr übrig, Idiot. Das sind Kratzspuren einer kleinen Katze.«
Und schon schweifte Rons Blick durch den Raum.
Verstohlen zog ich die Pfote aus der Vanillecreme und schleckte sie schnell ab.
Er hatte es bemerkt.
Ich sah es in seinen Augen. Die hatten plötzlich ganz viele Fältchen drumherum.
Jock lamentierte noch immer.
Ron wandte sich von mir ab und schnauzte ihn an.
»Wo ist Ihnen der angebliche Löwe begegnet?«
»Unten, vor dem Kesselhaus, Sir.«
»Gut,
Weitere Kostenlose Bücher