Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See
seinen geregelten Lauf, jetzt war es an der Zeit, Erkundungen zu Lilis Verbleib anzustellen.
Ich verabschiedete mich höflich aus der Küche und schlüpfte ungesehen durch die Gänge. Das war heute etwas schwieriger, weil die Passagiere irgendwie aufgeregter waren als sonst. Ständig verlangten sie nach Pagen, Stewards oder Zimmermädchen. Die trugen dann Kleider über den Armen, die irgendwo aufgebürstet werden sollten, wenn ich es recht verstand. Die Rohrleitungen in den Wänden des Schiffes ächzten, klei ne Parfümwolken standen vor den Türritzen, hier und da roch es ein wenig nach verbrannten Haaren. Kurzum, die Menschen machten ihren Pelz rein, und vermutlich hatte das etwas damit zu tun, dass sie Janeds Leckerchen bekommen sollten.
Verständlich, oder?
Vor Lilis Tür kam mir der wohlbekannte Rolligkeitsduft entgegen. Ich kratzte an dem Holz, leise natürlich, und hörte ein zartes Maunzen.
Plumps! Ein Stein fiel mir vom Herzen. Lili war dort drin und offensichtlich gesund und munter.
Ich maunzte ebenfalls, und dann kratzte es auch von innen an der Tür. Aber sie ging nicht auf. Also mussten wir uns etwas überlegen. Normalerweise unterhalten wir Katzen uns ja nicht mit Worten, sondern haben
allerlei andere Mittel zur Verfügung, uns aus zudrücken – die Stellung der Schnurrhaare und Ohren, die Blicke, unsere Ge rüche und Bewegungen des Schwan zes (obwohl der oft ein widerlicher Verräter ist und seine eigene Meinung vertritt – nicht immer die unsere) und natürlich unsere Gedanken.
Nicht Auge in Auge und Nase an Nase fielen viele dieser Möglichkeiten fort. Was blieb, wa ren die Laute. Sagte ich nicht schon, dass wir zwar Menschen beispielsweise verstehen, aber leider nicht ihre Sprache sprechen können? Auch unsere eigene Lautsprache untereinander eignet sich nur für ei nige wenige, meist sehr kurze und konkrete Aussagen. Beispielsweise für Warnungen, Beschimpfungen, Befehle, aber auch für Begrüßungen und schlichten Trost. Fakten zu übermitteln fällt uns damit schwer.
Aber natürlich war es möglich, und so erfuhr ich, dass Madame sich aufschminkte, Lili strengen Stubenarrest verpasst hatte, sie aber alles daransetzte zu entkommen. Und dass sie ziem lich stinkig über Adèle war. Das natürlich auch. Aber dazu hätte es nicht so deutlicher Worte bedurft.
Die führten nur dazu, dass un sere Unterhaltung jäh unterbrochen wurde, denn Adèle giftete Lili an, sie solle endlich mit dem blöden Miauen aufhören und die Tür nicht zerkratzen.
Die Strümpfe waren ihr aber auch nicht recht.
Und ich kam noch einmal in den Genuss von Lilis ausgeprägtem Schimpfwortschatz.
Einigermaßen zufrieden trottete ich zum Zwischendeck zurück, um zu sehen, was Pippin so trieb. Er ließ
mich auf mein Krat zen so fort ein, und ich be staunte ihn nicht wenig. Der schäbige schwarze Anzug war verschwunden, ein anderer, aus matt schimmerndem Stoff, ersetzte ihn, dessen Hosenbeine sich genauso weich und glatt anfühlten wie die von Enrico. Er hatte sich die Haare schneiden lassen, sein Gesicht war frisch rasiert und nicht mehr so grau, Gold blitzte an sei nen Ärmeln, und ein Duft wie von frisch geschlagenen Pi nien umgab ihn. Ich beschnüffelte ihn ausgiebig.
»Es gefällt dir, Pantoufle? Du bist ein Kater von Stil, das muss ich sagen. Und die schönen sandfarbenen Haare an meinen Hosenbeinen lassen wir einfach dran, dann kann jeder gleich sehen, dass ich deine Billigung habe.
Gute Idee. Aber sag mal, was ist denn das da für ein Zeug?
Ich sprang auf das Bett, auf dem ein bunter Anzug lag, ähnlich dem, wie Ron ihn im Bett getragen hatte – weite Hose, weiter Kittel mit Pompoms und Quasten dran (musste ich gleich mit spielen) -, ein komischer kleiner Hut und eine Kiste mit bunten Stiften, Pinseln und Schwämmchen.
»Das ist mein Kostüm, Pantoufle. Ich werde es nachher noch einmal anziehen. Für Maha Rishmi, verstehst du. Aber zum Essen habe ich mich fein gemacht. Ich will doch unsere Janed nicht blamieren.«
Das will ich dir auch geraten haben.
»Sie ist ein ungewöhnliches Mädchen, Pantoufle, so wie du ein ungewöhnlicher Kater bist.«
Er streichelte mich, und ich sprang hoch und setz te mich auf die blau-weiß karierten Hosen auf dem Bett.
Er ließ sich neben mir nieder und kraulte mich sehr gekonnt im Nacken.
»Meine Maha Rishmi, Pantoufle, bei ihr habe ich oft gedacht, dass ich sie wirklich verstanden habe. Und ich glaube, ich konnte ihre Gedanken auch nachvollziehen. Sie hat den Tod ihres
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