Papa ante Palma
worüber er nonchalant hinwegsieht. Kurz vor Mitternacht stelle ich die Gitarre weg, nehme mir das letzte Bier aus dem Kühlschrank und fläze mich auf das Sofa. In all dem Überschwang und der gegenseitigen Lobhudelei meldet sich plötzlich mein inneres Frühwarnsystem.
» Pues , ich muss zugeben, ich habe schon mit schlechteren Sängern zusammengespielt«, sage ich. »Das hat Spaß gemacht. Allerdings müssten wir ein paar Punkte klären, bevor wir weiterproben.«
»Wovon sprichst du?« Jaume zieht die Schultern hoch.
»Bei unserer ersten Begegnung im Café hast du keinen Hehl daraus gemacht, dass du Deutsche nicht magst. Aber ich bin einer und das gerne.«
»Ach, das.« Jaume räuspert sich. »Das musst du verstehen. Wir stehen den Ausländern etwas zwiegespalten gegenüber. Nicht speziell den Deutschen, aber ihnen natürlich auch.« Er nimmt einen großen Schluck. »Viele Einheimische finden eben, dass die Ausländer wie Heuschrecken hier eingefallen sind, ohne sich wirklich für unsere Kultur und unsere Sprache zu interessieren. Sie haben alles aufgekauft, sich uralte mallorquinische Ländereien unter den Nagel gerissen und dafür gesorgt, dass die Immobilienpreise in schwindelerregende Höhen geklettert sind.«
»Ja, aber dafür mussten ihnen die Mallorquiner die Buden erst mal verkaufen. Wenn ich richtig informiert bin, hat Mallorca vor fünfzig Jahren noch zu den ärmsten Regionen Spaniens gehört, mit einer Analphabetenquote von dreißig Prozent.« So in etwa steht es in meinem Reiseführer. »Inzwischen ist es die wohlhabendste.«
» Claro , das stimmt. Wir haben unser Land und unsere Häuser zu leichtfertig verkauft. Zudem muss man den Deutschen wohl oder übel anrechnen, dass es oft Ruinen waren, die sie liebevoll im mallorquinischen Stil restauriert und so für die Nachwelt erhalten haben. Aus architektonischer Sicht sind sie ein Segen.«
»Siehst du!« Ich fühle mich als Anwalt einer Gruppe bestätigt, zu der ich als Mieter gar nicht zähle.
»Dennoch verstehe ich nicht, warum so viele Deutsche hier unter sich bleiben oder auf ihren Fincas abtauchen, ohne sich zu integrieren. Sie leben einfach so weiter wie in Deutschland. Son raros , sie sind komische Kauze. Und diejenigen, die als Touristen herkommen, buddeln als erste Amtshandlung erst mal ein riesiges Loch in den Strand. Das habe ich noch nie verstanden. Bei meinen Reisen nach Deutschland habe ich noch ein paar eigenartige Dinge beobachten können.«
»Zum Beispiel?«
»Ich war nur ein paar Mal dort. Abgesehen davon, dass ich viele Frauen ziemlich hübsch fand, waren die Leute dort vor allem eines: ernst. Ich war mit einer kleinen mallorquinischen Delegation unterwegs zu einem Alpinistentreffen in München. Abends im Restaurant konnte ich mehrere Ehepaare beobachten, die kein Wort miteinander sprachen, ni una palabra . Nicht mal, als es darum ging, das Salzfass herüberzureichen.« Jaume sieht mich fragend an.
»Das liegt eben daran, dass wir ein etwas stressigeres Leben haben als ihr hier auf der Insel und ruhebedürftiger sind«, sage ich, obwohl ich genau weiß, dass er recht hat.
»Ein anderes Mal war ich mit einem internationalen Team zum Bergwandern in Nepal. Eine Deutsche war auch dabei.«
»Na bitte. So selbstbewusst sind unsere Frauen«, unterbreche ich ihn. »Sicher war sie die einzige Frau unter lauter Kerlen?«
»Das war sie nicht. Wir sind unterwegs durch ein sehr armes Dorf in den Bergen gekommen, wo Kinder um uns herumsprangen und bettelten. Sie waren völlig ausgehungert. Die Deutsche, Sabine hieß sie, glaube ich, holte sofort etwas Proviant aus ihrem Rucksack und verteilte die Sachen. Aber nicht an die Kinder, sondern an die herumstreunenden Katzen im Dorf.«
»Ich … äh … ja, so sind wir eben. Immer ein Herz für die ganz Schwachen. Hier auf Mallorca werden die Tiere unkastriert und voller Flöhe auf die Straße geworfen, und keiner kümmert sich um sie. Katz und Hund sind doch des Menschen bester Freund.« Als wäre das ein Zitat aus dem deutschen Grundgesetz.
»Bist du ein Tieraktivist, oder so?«
»Nun, Aktivist ist zu viel gesagt, aber mir liegen Tiere schon auch am Herzen«, lüge ich für diese Sabine, die ich hoffentlich nie im Leben kennenlernen werde.
Irgendwie hat Jaume einen Nerv getroffen. Plötzlich fühle ich mich wie ein Fußballtrainer, der sich schützend vor seine schlecht spielende Mannschaft stellt.
»Noch mal zum Thema ernst und verschlossen«, sage ich, »die Mallorquiner sind auch
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