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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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etwas dreckiger zu machen, schrieb er mir. Das überzeugte mich, und ich traf ihn daraufhin in Palma. Er redete viel, ohne mich dabei anzusehen, aber er steckte mich irgendwie an, und wir traten ein paar Mal zusammen auf. Wir, das waren: er, sein Laptop und ich.
    Verstanden wir uns anfangs noch blendend, verwandelte sich Eric ohne erkennbaren Anlass binnen weniger Wochen in einen Hardcore-Veganer und Menschenhasser. Er bastelte wie versessen an neuen Songs und Videos, die per Beamer auf den Bühnenhintergrund projiziert werden sollten. Ich bekam sie nie wirklich zu sehen, da sie ja in meinem Rücken abliefen, während ich spielte. Stattdessen sah ich die regungslosen, leicht angeekelten Gesichter der Leute, die vor der Bühne standen.
    Bei den ersten Konzerten dachte ich mir nichts weiter dabei und schob ihre Fassungslosigkeit auf den kruden Mix der Musikstile. Erst als Lucia einmal ein Konzert filmte, bekam ich mit, was sich die ganze Zeit hinter mir abspielte. Da wurden Hunde gehäutet, Affenhirne in Labors aufgeschnitten und Robben geschlachtet. Zwischendrin ging mal ein Atompilz hoch, oder Eric hatte eine Hitler-Rede reingeschnitten. Als Auflockerung flackerte ab und zu seine Exfreundin im Büstenhalter bei roboterartigen Verrenkungen auf. Gefilmt im gemeinsamen Schlafzimmer.
    Ich rief Eric sofort an und sagte, dass ich die Videos irgendwie zu seltsam fand.
    »Man muss den Leuten richtig auf die Schnauze hauen, damit sie es kapieren«, erklärte er mir.
    »Ja«, sagte ich, »ich weiß, worauf du hinauswillst, bevorzuge aber einen subtileren Weg. Und kannst du nicht wenigstens Hitler mal aus dem Spiel lassen?«
    »Auf gar keinen Fall«, schrie Eric, legte auf und suchte sich einen neuen Gitarristen.
    Ich führte seine Unbeherrschtheit auf seine abrupte Nahrungsumstellung zurück.
    Deshalb waren meine einzigen musikalischen Ergüsse auf Mallorca die Auftragskompositionen gewesen. Für Kunden in Deutschland.
    Was soll’s, denke ich und starre ins nunmehr lodernde Feuer. Ein Versuch kann nicht schaden. Ich investiere höchstens eine Stunde. Ich krame mein Handy hervor und wähle die Nummer aus dem Kindergarten.
    »Si?«
    Die Stimme am anderen Ende klingt angenehm. Natürlich meldet sich derjenige nicht mit Namen. Das macht in Spanien niemand.
    » Si, hallo, hier ist Steve, ich habe den Aushang im Kindergarten gesehen. Ich bin tatsächlich Gitarrist und auf der Suche nach einem kleinen musikalischen Projekt.«
    »Gut, kennst du den alten Schlachthof von Alaró?«
    »Ja, an dem bin ich mal vorbeigelaufen.«
    » Pues , da treffen wir uns. Ich habe dort einen kleinen Proberaum. Wie wäre es morgen Abend gegen sechs?«
    »Ja, das … das wäre toll. Ich muss nur dafür sorgen, dass meine Frau pünktlich aus dem Büro kommt.«
    »Vale, hasta mañana.«
    Etwas erstaunt über eine derart konkrete Ansage, lege ich das Telefon zur Seite. Der matadero , der alte Schlachthof, ist mir schon vorher aufgefallen. Er liegt neben einem kleinen Gehege mit iberischen Schweinen, die im Schatten einiger Steineichen dösen. Oft schon bin ich mit den Kindern dort entlanggelaufen, habe sie hochgehoben und zusammen mit ihnen beobachtet, wie die schwarzen Schweine mit den Schnauzen die feuchte Erde aufwühlen. Fürs Proben ist der Schlachthof einfach perfekt. Er liegt gerade so weit jenseits der Dorfgrenze, dass sich kein Nachbar beschweren kann, und doch so nah, dass er problemlos zu Fuß zu erreichen ist.
    Am nächsten Abend mache ich mich ohne Kinder auf den Weg, die Westerngitarre auf dem Rücken und einen kleinen Verstärker in der Hand.
    Der Eingang zum matadero ist ein altes, blau getünchtes Holztor ohne Schloss. Als ich die Hand darauf lege und leicht drücke, springt es sofort auf. Ich stehe in einem Lichthof, um den sich das Gebäude wie ein quadratischer Rahmen legt. Überall gehen Türen ab. Es scheint mehrere Proberäume zu geben. Doch weder höre ich Musik, noch ist jemand zu sehen. Ich schaue auf die Uhr, Viertel nach sechs. Es ist beinahe schon dunkel. Vielleicht doch eine Sackgasse, denke ich.
    Da öffnet sich eine der hinteren Türen, ein ziemlich großer Mann tritt heraus und kommt langsam auf mich zu. Ich traue meinen Augen in der Dämmerung nicht. Was habe ich bloß angestellt, dass mir das Universum einen derartigen Streich spielt? Das kann doch nicht … das ist doch … Er ist es. Jaume, der Bergsteiger und Moderator. Immer wieder Jaume.
    »Hola« , sagt er.
    »Hola« , sage ich. »Ich nehme an, du bist der

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