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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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nicht gerade für den Preis ›Gastfreundlichstes und offenstes Volk‹ nominiert. Viele sind sehr schroff oder grüßen nicht mal.«
    »Die Gründe dafür habe ich dir doch gerade genannt.«
    »Das ist die berühmte Henne-Ei-Diskussion, die zu nichts führt.«
    » Vale , die Mallorquiner sind vielleicht nicht so locker wie die Andalusier, aber wenn du sie erst mal richtig kennst, sind es Freunde fürs Leben.«
    »Ach, hör mir doch damit auf. Das behauptet doch so ziemlich jedes Völkchen von sich, das zum Lachen in den Keller geht. Jeder sagt, am Anfang sei er zwar verschlossen, aber hinten raus entstehe eine ehrliche, lebenslange Freundschaft. Bis auf die Kölner. Die sagen gleich, dass sie nicht verschlossen sind, und werden trotzdem die besten Freunde. Ich habe in Deutschland genauso viele gutgelaunte Leute gesehen wie hier. Okay, fast so viele.«
    »Ja, natürlich gibt es überall Ausnahmen«, sagt Jaume. »Bei mir im Sender arbeiten ein paar Deutsche, die sich schon derart mallorcanisiert haben, dass sie am unpünktlichsten, feierwütigsten und chaotischsten von allen sind.«
    »Außerdem fragt einen hier niemand, was man den ganzen Tag so treibt«, sage ich. »Über die Arbeit zu sprechen ist geradezu ein Tabu. Man gilt schon fast als penetrant oder indiskret, wenn man mal nachfragt, und wird oft mit einem einzigen Satz abgespeist. In Deutschland ist das die erste Information, nach der man sich erkundigt und über die sich ein Gespräch ergibt.«
    »Willst du mir das jetzt etwa als deutsche Tugend verkaufen? Vielleicht ist die Arbeit hier nur ein Mittel zum Zweck, während sie in Deutschland der unbestrittene Lebensmittelpunkt ist. Meinst du wirklich, die Deutschen würden so viel arbeiten, wenn sie jeden Tag bei dreißig Grad im Schatten surfen, grillen oder Fahrrad fahren könnten?«
    »Äh, weiß ich nicht, aber mir ist hier schon oft am Tag nach einer Feier der Gesprächsstoff ausgegangen. Mit denselben Leuten, mit denen ich die Nacht davor durchgezecht habe. Und überhaupt: Was ist mit Einladungen nach Hause? Wieso muss man sich ständig in Bars treffen? Nie bekommt man die Spanier mal in ihrem natürlichen Umfeld zu sehen. Immer nur in Bars. In Deutschland ist es Usus, neue Bekannte frühzeitig zu sich nach Hause einzuladen. Das ist für jede Freundschaft unerlässlich.«
    »Schon mal drüber nachgedacht, dass es an dir liegen könnte, wenn dich keiner einlädt?«
    »Sehr witzig.«
    »Eventuell hast du noch nicht die Richtigen getroffen«, sagt Jaume lächelnd. »Man kann alles überall finden – wenn man denn sucht.«
    »Das war jetzt aber ein schönes Schlusswort. Bleibt nur noch die Sache mit Lucia.«
    »Wer ist das?«
    »Meine Frau. Bei der Fiesta de Sant Roc hast du sie angebaggert und obendrein meinen Kindern Ballons gekauft.«
    »Qué?« Jaume sucht mit den Augen den Boden ab, als würde die Szene irgendwo zwischen den Kabeln noch einmal ablaufen. » Si , ich erinnere mich«, sagt er plötzlich, »ich musste deinen Kindern einfach was schenken, sie sind zu niedlich. Und Lucia ist … toll.«
    »Toll? Quatsch! Sie ist unglaublich. Und vor allem ist sie meine Frau«, belle ich.
    » No sabia , das wusste ich nicht. Ich habe euch im Dorf noch nie zusammen gesehen. Wenn ich gewusst hätte, dass …«
    »Na, jetzt komm. Als ob dich das davon abgehalten hätte.«
    »Hm, vermutlich nicht«, sagt Jaume, »aber betrachte es doch als Kompliment, dass ich mit ihr geflirtet habe.«
    »Willst du dafür jetzt auch noch einen Orden? Das ist eine interessante Sichtweise, die du bei deiner nächsten Reise nach Deutschland besser für dich behältst.« Ich reiche ihm die Hand, wobei ich diesmal so fest zupacke, dass er überrascht aufblickt.
    »Lass die Finger von Lucia. Und, mindestens genauso wichtig, kauf meinen Kinder nie mehr Ballons. Das ist mein Job. Sonst …«
    »Sonst was?« Jaumes Stirn zieht sich zusammen wie eine Gewitterfront.
    »Sonst kannst du deinen Blues alleine weiterdudeln. Sicher findest du in dem Nest hier noch ein Dutzend anderer guter Gitarristen.« Zufrieden packe ich meine Gitarre ein, klopfe Jaume auf die Schulter und sage: »Bis nächsten Mittwoch dann.«
    »Einverstanden«, sagt er leicht entgeistert.
    Leise schleiche ich nach Mitternacht ins Haus, um ja niemanden zu wecken.
    »Du bist noch wach?«, frage ich Lucia, die im Wohnzimmer in eine Decke eingekuschelt daliegt und liest.
    »Klar, wenn ich schon mal sturmfrei habe, ohne euch drei Quälgeister, dann muss ich das ausnutzen.

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