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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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wirklich«,
Jochen zögert, »Charme.«
    Nachdem er gegangen ist, bringe ich die Kinder
ins Bett. Trotz einer extra langen Geschichte und einem Gutenachtkuss kommt es
zu massiven Protesten, als ich das Zimmer verlassen will. Die neue Umgebung hat
offensichtlich nichts an der Tatsache geändert, dass einer von uns im Raum
bleiben muss, bis die Mädchen eingeschlafen sind, obwohl sie nun schon deutlich
älter als zwei Jahre sind. Natürlich könnten wir sie einfach hinlegen, das Licht
ausmachen und hinausgehen, allerdings nur, wenn wir auch die Nerven für das sich
anschließende einstündige Schreikonzert oder die Verfolgungsjagd hätten, bei der
Sophie aus dem Bett springt und uns mit dem immergleichen Lamento » NIIICHT RAAAUUUSSSGEHHHEN « bis in den letzten Winkel
verfolgt. Die Nerven habe ich selten, schon gar nicht nach einem Umzug mit
anschließender Ausräucherung und dem Aufschlagen des Wasserbetts.
    In Palma habe ich irgendwann herausgefunden, dass
es den Einschlafprozess beschleunigt, wenn ich mich selbst neben das Bett lege
und mich schlafend stelle. Mit fünf, sechs übertriebenen Schnarchgeräuschen beim
Einatmen und Pfeifgeräuschen beim Ausatmen kündige ich unmissverständlich an,
dass ich als Punchingball nicht länger zur Verfügung stehe. Ein schlafender
Vater neben dem Bett ist für Sophie offensichtlich so langweilig, dass sie
früher aufgibt und nach zehn Minuten einschlummert. Diese wegweisende
Errungenschaft verschafft mir und Lucia fast eine Stunde mehr gemeinsame Zeit.
Eine kinderlose Stunde am Tag für die Partnerschaft ist pures Gold wert.
    Der Steinboden ist kühl, stelle ich fest, als ich
mich für die Schnarchnummer in Position bringe.
    Sophie sitzt wie immer aufrecht im Bett und
beobachtet genau, was ich da tue. »Neu Haus?«, fragt sie mit ihrem putzigen
Gesicht.
    »Ja«, sage ich, »das ist jetzt unser neues Haus.
Aber weißt du, es ist nicht ganz neu. Eine Oma hat hier vorher gewohnt.«
    »Eine Oma?«, wiederholt Luna das magische Wort,
das in ihrer Welt für Kuchen, Kuscheln und Kaufrausch steht.
    »Ja, eine Oma, aber nicht unsere, sondern eine
andere. Rosa.«
    »Wo ist die Oma?«, fragt Luna.
    Mist, das leidige Thema Tod, denke ich. »Na, im
Himmel, wo denn sonst«, antworte ich schnell und mit einem Tonfall, der nicht
den geringsten Zweifel zulässt. »Und jetzt wird geschlafen.« Ich drehe mich mit
dem Rücken zu den Kinderbettchen und intoniere mit offenen Augen den ersten
Monster-Fake-Schnarcher: » NNNAAARRRCHHH - PFÜÜÜHHH .«
    Keine fünf Minuten später vernehme ich ein
friedliches, gleichmäßiges Atmen. Zeit, langsam aufzustehen, dennoch ist
äußerste Vorsicht geboten. Selbst das Knacken meiner morschen Knie könnte Sophie
aufwecken, und das würde eine weitere Schnarchscharade von gut fünfzehn Minuten
bedeuten. Langsam, ganz langsam schleiche ich mich auf Zehenspitzen hinaus und
husche durch das Durchgangszimmer in unser neues, spartanisches
Schlafgemach.
    »Puh«, flüstert Lucia, die schon auf dem
gigantischen Bett liegt. »Wie gut, dass man bei dem Wasserbett die Temperatur
einstellen kann. Es ist angenehm kühl, und eine Decke werden wir auch kaum
brauchen. Ich dachte, zwei Laken dürften reichen.«
    »Bestimmt, cariño «,
antworte ich müde. »Ich bin froh, dass dieser Tag vorbei ist. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.« Lucia beugt sich zu mir herüber,
gibt mir einen Kuss und macht das Licht aus mit dem altmodischen Kippschalter,
der zwischen unseren Köpfen an der Wand angebracht ist.
    Die erste Nacht im neuen Haus – immer etwas
Besonderes. Welche Geräusche werden den Tag überleben? Aus dem monotonen Brummen
der Landstraßen, dem hochfrequenten Geknatter der Mopeds und dem Surren der
entfernten Flugzeuge hervortreten? Wo fällt noch Licht herein und wirft die
bizarrsten Schatten? Wie laut hört man die Leute, wenn sie nachts die Straße
entlanggehen? Einige labernd und langsam, andere stumm und schnell.
    Flugs ist die Glühbirne abgekühlt und der Raum in
dichtes Schwarz getaucht. Genau so, wie ich es mag. Kein Mondschein und kein
Laternenlicht kann von außen hineindringen und meiner inneren Uhr ein
Schnippchen schlagen. Zufrieden drehe ich mich auf die Seite.
    Da dringt plötzlich ein Geräusch an mein Ohr.
»Sinnngg … Simmmggg … siiinnnggg.«
    »Was ist denn das jetzt?«, frage ich ins Nichts
hinein.
    »Ich glaube, es ist die Glühbirne«, vermutet
Lucia.
    Tatsächlich. In unregelmäßigen Abständen summt
die Glühbirne, als wollte sie SOS morsen,

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