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Papa ante Palma

Papa ante Palma

Titel: Papa ante Palma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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schlafen.«
    »Nichts lieber als das.«
    Die Ruhe ist atemberaubend. Keine Autos, keine
Stimmen, keine Tiere. Nichts. Je mehr ich mich auf die Stille konzentriere,
desto lauter erscheint sie mir. Sie hat Körper und Wucht. Sie schiebt förmlich.
Und ihr Angebot ist nur vorübergehend. Jetzt oder nie. Schlafen. Ich rücke dicht
hinter Lucia und lege ihr einen Arm um die Taille. »Köperteilung« habe ich das
mal getauft, da nach ein paar Minuten im Halbschlaf mein Arm irgendwie auf
Lucias Körper übergeht oder ihr Körper auf ihn. Habe ich diesen eigenartigen
Effekt anfangs nur zufällig bemerkt, so stelle ich ihn heute mit Vorliebe
bewusst her.
    Dann ein Klopfen. Vielmehr ist es kein Klopfen,
sondern ein Hämmern, nur dass nichts metallisch nachhallt, sondern das Geräusch
eher holzig und stumpf verebbt.
    »Was ist das?«, flüstere ich in die
Dunkelheit.
    »Keine Ahnung, aber es wird lauter und es scheint
diesmal von drinnen zu kommen. Ein klapperndes Fenster vielleicht«, mutmaßt
Lucia.
    »Wenn ein hämmerndes Geräusch lauter wird«, sage
ich in der Dunkelheit, »dann gibt es genau zwei Möglichkeiten: a) jemand oder
etwas hämmert mit immer mehr Energie. Vielleicht durch eine stärkere Kraftzufuhr
von außen, etwa durch Wind oder Wasser, oder b) die Geräuschquelle nähert
sich.«
    Pock … Pock … Pock.
    Gespannt lauschen wir dem Geräusch. Kurz
überwiegt ein nüchternes, beinahe wissenschaftliches Interesse, doch dann fällt
uns beiden gleichzeitig die Regelmäßigkeit des Klopfens auf. Eine
Regelmäßigkeit, die weder Wind noch Regen oder irgendein Tier aufzubringen
vermag. Damit kommt nur eines in Frage: ein Mensch.
    »Da kommt jemand«, sagt Lucia und lacht. Doch ihr
Lachen ist eigentlich ein gefühltes Schreien und bleibt ihr im Hals stecken.
    »Ja, jemand ist im Haus.« Ich schlucke und setze
mich auf. »Jemand mit einem Holzbein.«
    »Rosa!«, rufen wir gleichzeitig und klammern uns
in der Dunkelheit aneinander.
    Die Schritte werden lauter. Wie die Besatzung der
Pequod in ihrer Kajüte unter den Schritten von Captain Ahab erstarrte, so
lauschen wir dem Wandeln des rastlosen Geistes. Nur noch wenige Meter, dann wird
Rosa vor uns stehen, und wir werden sie nicht einmal sehen können, es sei denn,
ein Geist kann leuchten wie das Phosphor-Dino-Skelett aus einem der Yps- Hefte. Ich würde mir gerne irgendeinen schweren
Gegenstand greifen, aber ich kann nicht mal die Hand vor Augen sehen, und den
Geräuschen nach zu urteilen, ist Rosa schon im Durchgangsraum.
    »Komm unter das Laken«, flüstert Lucia.
    »Sollte ich mich ihr nicht besser in einem offnen
Kampf stellen?«, frage ich, warte die Antwort aber gar nicht ab, sondern schlage
Lucias Bettlaken auf, verkrieche mich darunter und ziehe es uns über die Köpfe.
»Wir haben Rosa mit der Ausräucherung gegen uns aufgebracht, das war’s, amor . Ich hätte mir ein anderes Ende für uns
gewünscht.« Allein der Tatsache, dass dem Ganzen eine gewisse Absurdität
innewohnt, ist es zu verdanken, dass ich mich nicht schreiend nass mache.
    »Pssst«, zischt Lucia. Ihr Atem geht schnell und
heizt die Luft unter dem Laken auf, »sie ist schon im Schlafzimmer.«
    Rosas Schritte sind nun deutlich zu hören, bis
sie am Kopfende des Bettes zum Stehen kommen. Mit angehaltenem Atem liegen wir
unter dem Laken, wie Vieh auf der Schlachtbank in Erwartung eines
niederfahrenden Beiles. Doch es geschieht zunächst gar nichts. Dann hören wir
ein leises Geraschel, so, als würde sich jemand einen Rock oder eine Hose
ausziehen.
    »Das wird ja immer bunter«, murmele ich, »jetzt
reicht’s. Ist da jemand?«
    Keine Antwort.
    Dann donnert ein gefurztes Flllaaarrrttt , begleitet von einem befreienden Seufzer, durch den
Raum.
    »Okay, in Ordnung.« Ich springe vom Bett. »Ich
mache jetzt im Flur das Licht an, und dann werden wir ja sehen …«
    Wieder taste ich mich an der Wand lang, bis ich
die Tür samt Schalter finde. Ich mache mich auf alles gefasst: untote Omas,
Jochen, Pau oder den Beelzebub, was im Grunde ein und dasselbe ist. Klick.
Wieder fällt das Licht von dem kleinen Flur ins Schlafzimmer, doch außer Lucia,
die den Kopf unter dem Laken hervorstreckt wie ein aufgeschrecktes Murmeltier
aus einem Erdloch, ist niemand hier.
    »Das … das … das gibt’s doch nicht«,
stottere ich. »Ich habe doch genau …«
    In diesem Moment ist ein pieselndes Zischen zu
hören, gefolgt von einem kurzen »Zapp«, als würde jemand ein Blatt Papier
auseinanderreißen. Einen Moment

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