Papa ante Palma
später folgt ein ähnliches Geraschel wie zuvor,
danach setzt das laute, holzbeinartige Klopfen wieder ein. Zunächst laut und
deutlich, dann immer leiser, bis es schließlich nicht mehr zu hören ist.
Lucia sieht mich an, zieht die Augenbrauen zu
zwei perfekten Halbkreisen hoch und lacht laut los.
Noch während ich am Türrahmen lehne, löst sich
auch bei mir die Spannung.
»Okay«, sagt Lucia, »wir haben das verfluchte
Wasserbett Rücken an Rücken mit einem Pisspott aufgebaut, getrennt von einer
gerade mal drei Zentimeter dicken Wand. Aber was viel wichtiger ist: Wir sind in
diesem Haus nicht allein.«
Am Morgen nach der unruhigen Nacht werde ich
von eigenartigen Geräuschen geweckt. Auf der anderen Seite der Schlafzimmerwand
scheint eine Konversation stattzufinden.
Er: »Auuulll.«
Sie (der Stimme nach eine ältere Frau): »Kääätts.
Üeeh.«
Er: »Aula, Ets, Eöö, Schooo, Äiinaah, Määhm.«
»Bist du wach?«, flüstere ich in Richtung
Lucia.
»Ja.« Sie streckt sich.
»Mein Gott, diese Wand hier ist wirklich aus
Papier. Was passiert denn da drüben? Werden da Tiere misshandelt? Die klingen ja
wie die Orks aus Herr der Ringe .«
»Ich nehme an, es ist ihre Art, mallorquí zu
sprechen. Ein starker Dorfslang«, sagt Lucia.
»Großartig. Folklore finde ich ja grundsätzlich
toll, aber bitte nicht um halb acht Uhr morgens in meinem Schlafzimmer. Hast du
die Nummer vom Schwesternballett gespeichert?«
»Ja.«
»Gut«, sage ich. »Dann werde ich gleich mal Marta
anrufen und sie in dem Café an der Plaza treffen. Die vier Frauen haben uns
diese seltsame Mitbewohnerin verschwiegen. Wir müssen reden.«
Zwei Stunden später laufe ich in Richtung
Dorfplatz. Am Sonntagmorgen.
Das Café Can Jordi ist noch fast leer. Die
Spanier gehen bekanntlich spät aus. Oft fängt der Abend erst um Mitternacht
an – mit dem Abendessen. Bis die Spanier das Haus verlassen, um auf die
Piste zu gehen, kann es locker halb zwei Uhr nachts werden, und wenn sie nach
Hause kommen, steht die Sonne in der Regel schon hoch über der Insel. Im Café
starren ein paar Alte lustlos auf den Riesenfernseher, der direkt unter der
Decke angebracht ist. Es läuft eine Dokumentation über die Beuteltiere
Australiens. Ein paar von ihnen trinken bereits einen carajillo , Espresso mit Schuss.
Der Laden ist typisch für Mallorca:
schlauchartiger Raum, Zigarettenautomat gleich an der Tür, daneben ein
Spielautomat, der immerfort dieselben arpeggierten Melodien dudelt, bis man sie
nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Dazu längsseitig eine mehrere Meter lange Bar,
auf der eine Vitrine mit Donuts, Croissants oder kleinen Tapas steht, und eine
klobige chromfarbene Kaffeemaschine. Hinterm Tresen ein übellauniger
Barmann.
Jetzt einen guten Kaffee, denke ich und rufe von
meinem Tisch aus in Richtung Bar: »Un café con leche por
favor.«
Das ist das Gute an einer spanischen Bar: Egal,
wo sie ist, egal, wer hinter der Theke steht, und egal, wer du bist, du bekommst
überall einen großartigen Kaffee. Im Kopf gehe ich die Liste der sechs Dinge
durch, auf die bei den Spaniern am meisten Verlass ist:
1. Der Kaffee in spanischen Bars ist immer gut.
2. Jeder Spanier wiederholt das, was er gerade gesagt hat, mindestens noch
einmal. Unaufgefordert. 3. Jedes spanische Kind in einer Bar hat eine kleine
Chipstüte in der Hand. 4. Jede spanische Frau tanzt im Light-Flamenco-Style,
wobei Musikrichtung und Art des Etablissements völlig egal sind. 5. Vor dem
Zebrastreifen gibt der Spanier Gas, anstatt anzuhalten. 6. Alle sind immer guapa oder guapo , auch
wenn sie aussehen wie abgelaufenes Hühnerfrikassee.
Einer der älteren Männer bestellt nun auch. »Jauumm potts fähhh u däschohhh.«
Das Mallorquí. So richtig hatte ich das nicht auf
dem Zettel, als wir uns für Alaró entschieden haben. In Palma war die Sprache,
die eigentlich ein Dialekt des Katalanischen ist, eher eine Randerscheinung, der
man ohne Probleme ausweichen konnte. Natürlich bin ich manchmal auf Mallorquí
angesprochen worden, doch sobald ich auf castellano ,
also Spanisch antwortete, wechselte mein Gegenüber ebenfalls sofort ins
Spanische. Im Grunde war es das Gleiche wie damals in Barcelona. Die Zugezogenen
sehen es nicht ein, noch eine Sprache zu lernen, die sie sonst nirgends auf der
Welt gebrauchen können, und berufen sich darauf, dass man mit Spanisch bereits
eine gemeinsame Sprache hat. Die Katalanen und Mallorquiner indes vermögen es
nicht zu verstehen, wie man eine derart
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