Papa ante Palma
Das
könnte eine ausgewachsene Ohnmacht werden. Hatte ich schon mal. In einem
Travestieschuppen in Köln beim Junggesellenabschied. Gott sei Dank war’s nicht
meiner. »Den auch nicht«, sage ich und füge hinzu: »Sie haben alles geklaut.
Alles!«
»Bitte?« Vicens ist bestürzt.
»Ich habe alles da hingelegt. Da vorne. Und nun
ist es weg«, bringe ich mit letzter Kraft hervor.
Der ältere Mann blickt mich mitleidig und
verwundert an. Auch der andere Greis bleibt nun wie eingefroren stehen, als
hätte die Musik bei der Reise nach Jerusalem ausgesetzt. Obendrein schaut auch
noch einer der Handwerker um die Ecke und schaltet die Bohrmaschine ab. Er
scheint mitbekommen zu haben, dass irgendwas nicht stimmt.
»Ja, das kann hier ruhig jeder hören. Alles ist
geklaut. Wir wohnen keine zwei Tage hier, und schon ist alles weg. Ein schönes
Dorf ist das hier, da fühlt man sich doch gleich willkommen. Wo ist eigentlich
der zweite Handwerker. Da war doch noch einer, der ins Haus gelaufen ist?
Heh?«
»Estic aqui« , ruft
der Mann von oben auf Mallorquí und schreitet gemächlich die Treppe bis zur
Hälfte herunter, damit ich ihn sehen kann. Er hat etwas von einer sehr grimmigen
Muräne. »Gibt’s ein Problem?«
»Aaaammm«, heult Sophie.
» ES GIBT JETZT KEINEN ARM UND AUCH KEIN EIS !« Mir springt fast die Halsschlagader
heraus.
Vincens zuckt befremdet zusammen. Die Kinder
fangen nun erst recht an zu weinen.
»Vielleicht haben Sie meinen Schlüssel und die
Brieftasche irgendwo gesehen?«, wende ich mich an den Handwerker mit dem leicht
durchgedrehten, übersanften Ton eines Psychokillers.
»Pfff!«, macht der Mann nur und stapft die Stufen
wieder hoch. Kurz darauf setzt von oben erneut Gehämmer ein.
»Bestimmt hast du es irgendwo in den Kartons. Du
bist bloß nervös, sicher wird alles gut«, sagt Vicens. Erstaunlich genug, in
Anbetracht der Tatsache, dass ich ihn und die Handwerker gerade des Diebstahls
bezichtigt habe.
RööönnnRatatatatata BUMBUM .
»Nein, ich bin ganz sicher, ich habe beides dort
hingelegt.«
»Hmm.« Vicens nickt verständnisvoll. »Das ist
schlimm. Ich habe mal meine Brieftasche auf dem Autodach liegen lassen, nachdem
ich getankt hatte. Es hat acht Monate gedauert, um alle Papiere
wiederzubekommen, und einmal musste ich sogar nach Barcelona fliegen.«
Diese Information hat mir gerade noch gefehlt, du
Motivationskünstler.
»Wie soll denn jemand von der Straße hier
reingekommen sein? War die Tür denn nicht abgeschlossen?«
»Nein«, sage ich überrascht. »Deine Frau und ihre
Schwestern haben gesagt, dass wir das hier im Dorf nicht bräuchten. Die Leute
würden sich kennen und vertrauen. Mir hat der Gedanke gefallen, daher war
die Tür zwar geschlossen, aber nicht abgeschlossen.«
»Was? Ja, das war vor vierzig Jahren vielleicht
so, aber heute muss man immer abschließen. Die Dörfer haben sich stark
verändert, ständig kommen und gehen die Leute.« Vicens kratzt sich an der hohen
braunen Stirn mit dem schlohweißen Haarkranz. »Mach dir keine Sorgen, ich werde
gleich losgehen und ein Ersatzschloss kaufen.« Auch die Bohrmaschine ist nun
wieder im Einsatz.
Der andere Mann hält hinter ihm eines von den
Jesus-Obst-Bildern hoch.
»Ja das kann weg«, sage ich. Dann drehe ich mich
von den quengelnden Kindern weg und rufe bei Lucia im Büro an.
»Si« , sagt Lucia mit
diesem nüchternen Bürotonfall, bei dem klar ist, dass alle mithören.
» Cariño , die haben
hier alles geklaut. Verdammtes Kuhdorf. Brieftasche und alle Schlüssel sind
weg.«
»Ach, komm, das glaube ich ja jetzt nicht. Hast
du alle Hosen gecheckt?«
»Was heißt hier alle? Ich habe überhaupt nur zwei
kurze Hosen.«
Röööönnnnnn.
»Was ist denn das für ein Krach?«
»Es sind Handwerker da«, brülle ich. »Sie sind
einfach aus dem Nichts hier aufgetaucht und waren in der Überzahl. Such bitte
mal im Netz die Nummer von meiner Kreditkartengesellschaft heraus, ohne Internet
kann ich das hier nicht selbst.«
»Okay.«
Eine Minute später rufe ich eine endlos lange
Nummer an, die Lucia mir per SMS geschickt hat.
»Hello-this-is-our-customer-service-line«,
schallt ein Roboter-Stakkato aus der Muschel.
Jetzt muss ich mich auch noch stundenlang auf
Englisch per Tastendruck bis zu einem Mitarbeiter durchkämpfen. Ich hasse diese
Dinger.
»Hello?« , meldet sich
die Stimme erneut.
»Äh … hello ?«,
frage ich verwundert zurück. Offensichtlich sind die automatischen
Anrufbeantworter mittlerweile sehr
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