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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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Weg.«
    »Aber was du machst, ist
falsch
.« In Lillians Augen sammelten sich Tränen, und ihre Unterlippe zuckte. »Ich will, dass es so wird wie früher. Lass uns doch einfach gehen. Wir nehmen Mama mit und laufen weg. Dann bin ich auch brav. Okay? Du bist so anders, das macht mir Angst.«
    Es hatte keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren. Sie verstand einfach die Wichtigkeit nicht. Aber das war nicht schlimm. Sie war ein Kind. »Das hatten wir doch schon. Wenn du es nicht verstehen willst, kann ich es nicht ändern. Ich werde die Welt zu einem besseren Ort machen. Zu einem gerechteren. Am Ende zählt allein das.« Er tätschelte ihre Wange. »Weißt du, man kann nicht immer vor allem davonlaufen. Ein Vater muss sich den Dingen stellen, und er muss mehr sehen als die anderen. Die Menschen haben den Sinn für das Wesentliche verloren. Niemand übernimmt mehr die Verantwortung. Schuld ist immer der andere. Seit mir die Augen geöffnet wurden, sehe ich es klar vor mir. Mein Weg ist es, die Menschen zu führen. Ihnen ein Vorbild zu sein. Sie zu lehren, was Gerechtigkeit bedeutet. Ihnen zu zeigen, dass es keine Opfer gibt, dass alles, was wir tun, eine Auswirkung hat. Mein Weg ist es, ihnen ein Vater zu sein. Mach dir keine Sorgen, Kleines. Alles wird gut.«
    Lillian schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie traurig, »das wird es nicht. Ihr Erwachsenen meint immer, alles zu wissen, aber das ist Bullshit. Wenn du glaubst, alles im Griff zu haben, irrst du dich. Hör dir doch mal selbst zu. Du redest wie ein Irrer.«
    Tommi seufzte. Ihm fiel kein Weg ein, um sie zu überzeugen. Außerdem gab es noch andere Probleme, die er lösen musste. Sein altes Ich hätte sich wahrscheinlich vor Angst verkrochen. Nein, nicht wahrscheinlich. Auf jeden Fall.
    Doch mehr und mehr verschwand das alte Ich, das alte Leben, die alte Angst. Er durfte nicht straucheln, sich nicht beeinflussen lassen. Lillian versuchte, ihn zu beeinflussen, ihn vom rechten Pfad abzubringen. Das musste er verhindern. »Süße, möchtest du mir bei meinem neuesten Projekt helfen? Vielleicht verstehst du dann, wie wichtig diese Sache für mich ist.«
    Lillian schüttelte langsam den Kopf. Ihre Augen weiteten sich, und Panik stahl sich in ihr Gesicht. »Ich will das Monster im Keller nicht sehen. Ich will da nicht hin.«
    »Das Monster. Nun dramatisier nicht gleich alles.« Wenn Tommi an Monster dachte, dachte er an Ya-Long P’an. Ein grausames Weibsstück. Sie war das wahre Monster. Doch waren Väter nicht dafür da, Monster zu vertreiben?
    »Du hast früher so viele schöne Sachen gemacht. Bilder gemalt. Ist das alles fort?«
    Tommi grinste. In ihren Worten war ein Kompliment versteckt. Das gefiel ihm. »Ich mache noch immer schöne Sachen. Nur haben sie inzwischen eine andere Bedeutung. Du musst das nicht verstehen. Ich bitte dich nur, mich zu unterstützen.«
    Lillian senkte den Blick. Hatte sie überhaupt eine Chance gegen ihn? Er wirkte so übergroß. Doch aufgeben kam nicht in Frage. Sie musste kämpfen. Sie musste siegen, um jeden Preis!
    Sie ging ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei. Wenn sie ihm den Weg in den Keller versperren könnte, wäre es aus mit seinem Ritual.
    Sie achtete nicht darauf, ob er ihr hinterherkam. Sie durchquerte den Flur und stieg die Treppe in den Keller hinunter. Der Regen schien mehr Feuchtigkeit durch die Wände zu drücken als sonst. Und mit dem Wasser kamen üble Gerüche, die ihr den Atem verschlugen. Es roch nach alten Putzlappen. Nach Sportsocken, die jemand in einer Tasche vergessen und nun großzügig verteilt hatte, und nach Schimmel.
    Sie versuchte, so wenig wie möglich zu atmen, und hastete weiter, bis sie zu einer Zwischentür kam. Von hier aus gelangte man in den Raum mit den Regalen, den Raum mit der Geheimtür.
    Kein Laut drang heraus. Entweder schlief das Monster, oder das Geheimversteck war gut isoliert. Lillian tippte auf Letzteres, fasste die Klinke und warf die Tür zu. Und mit einer Umdrehung des Handgelenks war sie verschlossen.
    Sie steckte den Schlüssel ein, als sich Tommi an ihr vorbeischob. »Was zum …«, er rüttelte an der Tür.
    Jegliche Väterlichkeit verpuffte. »Mach die beschissene Tür auf oder …« Die Tür ächzte, doch sie hielt.
    Um an den Schlüssel zu kommen, würde er sie zerfetzen. Sie musste hier weg. Schnell.
    Doch noch bevor sie sich umdrehen konnte, fiel Tommis Pranke hart auf ihre Schulter. Ihre Knie gaben nach. Sie stemmte sich dagegen. Die zweite Hand legte sich um ihren Hals und

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