Papa
Ich meine, als Belohnung? So eine Art Finderlohn?«
Robert antwortete nicht. Reporter waren wie Geier, stürzten sich auf totes Fleisch und labten sich daran. Unersättlich, ohne Mitleid. Er deutete auf Öhls Handfläche, in der er eine kleine Digitalkamera hielt. »Haben Sie sich verletzt? Sieht aus, als hätten Sie sich geschnitten?«
Der Reporter drehte die Hände und tat überrascht, als er den blutigen Striemen sah. »Das ist wohl beim Klettern auf die Mauer passiert. Ich musste mich mit einer Hand am Stacheldraht festhalten, um mit der anderen zu fotografieren. Da war ich wohl ungeschickt.« Er grinste breit.
Robert nickte langsam. »Offensichtlich.« Er zog seinen Notizblock heraus und ließ sich die Anschrift des Reporters geben. »Oh«, sagte er noch fast beiläufig. »Tun Sie mir den Gefallen und erwähnen Sie bitte diesen Vorfall nicht in der Zeitung, ja?«
Die Maske mit dem freundlichen Reportergesicht wich einer anderen, die für einen kurzen Moment Erstaunen zeigte. Dann fiel auch diese, und das echte, verärgerte Gesicht von Damian Öhl kam zum Vorschein. »Glauben Sie im Ernst, dass ich mir diese Story entgehen lasse? Im Leben nicht.«
Robert lächelte. »Ich bin nicht sehr gläubig. Aber ich
weiß
, dass Ihnen diese Story entgehen wird.«
Öhl lief rot an. »Sie werden die Pressefreiheit nicht beschneiden. Das hier ist die Story meines Lebens, und die lasse ich mir nicht kaputtmachen.«
»Sie werden Ihre Story kriegen«, mischte sich Maik ein. »Nur nicht sofort. Erst machen wir unsere Arbeit, und dann machen Sie Ihre. Einverstanden? Derjenige …«
»Oder diejenige«, unterbrach ihn Robert.
Maik hörte für einen kleinen Moment auf zu atmen, und Robert bereute, ihn unterbrochen zu haben. Es war nicht seine Art, den Klugscheißer zu mimen.
»Oder diejenige«, nahm Maik den Faden wieder auf, »die das hier angerichtet hat, will ganz offensichtlich Aufmerksamkeit. Die sollte er oder sie vorerst nicht bekommen. Können wir uns darauf einigen?«
Damian kochte. Sein Unterkiefer zitterte, und die Farbe seines Gesichts wurde dunkler. »Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, dass ein krankes Schwein sein Unwesen treibt. Ich lasse mir meine Arbeit nicht so einfach verbieten. Da müssen Sie mir schon mehr bieten als ein: ›Der Täter soll keine Aufmerksamkeit kriegen.‹«
Robert hob den Zeigefinger. »Oh, warten Sie noch einen winzigen Augenblick.« Er streckte die rechte Hand aus, und ein vorbeihuschender Zombie mit dünnen blonden Haaren und einem Hosenanzug drückte ihm einen Zettel hinein, den er direkt an den Reporter weitergab.
Der starrte fassungslos darauf. »Eine einstweilige Verfügung?«
Maik verdrehte die Augen. »Nur eine vorläufige Nachrichtensperre. Sobald wir mit unserer Arbeit fertig sind, geben wir Ihnen Bescheid. Dann dürfen Sie über all das hier schreiben. Oh, und halten Sie sich zur Verfügung, falls wir noch Fragen haben.«
Robert grinste innerlich. Manchmal waren Zombies doch zu etwas zu gebrauchen.
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Kapitel 8
D as ganze Wochenende hatten sich Michelle und Lilly in der Wohnung eingeschlossen, doch Tom hatte sich nicht blicken lassen.
Dafür war Maik vorbeigekommen. Die Polizei hatte den Personenschutz aus verschiedenen Gründen abgelehnt, und so hatte er das Wochenende über auf sie aufgepasst. Auch er fand die Idee der Anstaltsleiterin, sich möglichst in der Öffentlichkeit aufzuhalten, gar nicht schlecht.
»Passt auf euch auf«, hatte er gesagt. »Ich weiß nicht, was der Schweinehund vorhat, aber er führt garantiert nichts Gutes im Schilde.« Maik hatte sogar vorgeschlagen, Urlaub zu nehmen und über sie zu wachen, doch das hatte sie entschieden abgelehnt. Sie kannte Tom besser als er, und wenn es nötig sein sollte, würde sie sich ihm stellen wie eine erwachsene Frau. Sie war kein Kind, auf das man aufpassen musste.
Also hatte Michelle Lilly von der Schule abgeholt und war mit ihr ins Einkaufscenter gefahren. Und nun standen sie einer unmöglichen Aufgabe gegenüber. Immerhin sollte an diesem Abend Lillys erstes großes Date stattfinden.
Bereits im ersten Bekleidungsgeschäft hatte Michelle ihren Exmann Tom vergessen – oder zumindest unter einem Mix aus Freude, Stress und Erschöpfung begraben.
Lilly schien die angespannte Situation vollständig zu verdrängen, etwas, das sie beide in unzähligen Therapiestunden gelernt hatten. Eine traumatische Erfahrung zu verarbeiten bedeutete auch, schlimme Dinge begraben zu können, wenn sie einen
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