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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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Zigarette heraus und steckte sie sich an. Mit ihren schmalen Lippen umklammerte sie den Filter. Ihre Wangen wölbten sich nach innen, und beim Aufglimmen des Tabaks stachen die Konturen in ihrem Gesicht mehr denn je hervor.
    Michelle erhob sich. Ihre Knie wackelten. Sie hatte kaum Kraft in den Beinen. Sie musste hier raus, und sie würde diese Chinesin mitnehmen, koste es, was es wolle. Alle Skrupel waren verflogen. Diese Frau neben ihr hatte verdammt noch mal den Tod verdient. Einen Moment lang bedauerte sie, dass Tom sein Werk damals nicht zu Ende bringen konnte. Doch den Gedanken schob sie schnell beiseite.
    »Michelle«, auch die Chinesin erhob sich und nahm die Sonnenbrille ab, legte die Bügel zusammen und steckte sie ein. »Ich bin Geschäftsfrau. Meine Waren mögen, nun ja, außergewöhnlich sein, aber im Grunde geht es hier doch nur ums Geld.« Sie fasste Michelle an der Schulter und schaute ihr in die Augen. »Ich bin durchaus in der Lage, meine Rachegelüste zurückzustellen, aber Sie? Was zum Teufel muss in Ihnen vorgehen? Er hat Ihr ganzes Leben zerstört – und das Ihres Kindes. Wünschen Sie sich nicht, ihn sterben zu sehen?«
    Michelles Zähne rieben aufeinander. »Doch, das wünsche ich. Das wünsche ich mir jeden gottverdammten Tag. Sobald ich die Augen öffne, nach einer Nacht, in der ich nicht schlafen konnte. Oder wenn ich meine Tochter ansehe und weiß, dass sie nie mehr in der Lage sein wird, an das Gute im Menschen zu glauben. Und doch habe ich Angst, am Ende nicht anders zu sein als er. Eine Bestie, die ihr Opfer zerfleischen möchte, weil sie nicht anders kann.«
    Ya-Long nickte und ließ sie los. »Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Das Theater hier ist für genau solche Dinge gebaut worden. Fernab der Gesellschaft. Fernab jeglicher Sanktionen. Dies hier, Michelle Kettler, ist die Hölle.«
    Ya-Long nahm einen tiefen Zug von der Zigarette und kippte den Kopf zur Seite. »Ich möchte Ihnen etwas Einmaliges anbieten. Was würden Sie sagen, wenn ich all Ihre Probleme lösen würde?«
    Das Bühnenbild brannte sich in Michelles Bewusstsein. Ja, dies hier
war
die Hölle. Sie stützte sich auf einen der Stühle, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wie sollte sie hier die Chinesin überwältigen und herausschleppen? Es schien unmöglich zu sein. Ya-Longs Angebot war verlockend. Alle Probleme hatte sie gesagt? Es könnte hier und jetzt vorbei sein? »Wie hoch ist der Preis?«
    »Nun, die Höhe ist aus meiner Sicht durchaus angemessen. Ich will
Sie

    Das Theater begann, sich um Michelle zu drehen. »Mich?«
    »Ja, Michelle. Sie. Die Mädchen, die hierherkommen, sind – sagen wir gelinde ausgedrückt – wehrig. Eine Frau, die ich auf freiwilliger Basis verkaufen kann, ist unbezahlbar. Ich bringe Ihnen Tom und Lilly, und Sie sterben für mich auf dieser Bühne hier. Und Sie tun es freiwillig mit einem Lächeln auf dem Gesicht.« Ihr Mund schmunzelte. Die Augen taten es nicht.
    Michelle war entsetzt. Diese Frau hatte den Tod mehr als verdient. »Nun«, sagte sie und schob langsam eine Hand in die Tasche. »Das Polaroid, das Sie erhalten haben, ist der wahre Grund, warum ich hier bin. Tom hat mich geschickt.«
    Ya-Long nickte langsam. »Ich verstehe. Und
Sie
sollen
mich
töten?«
    »Nein,
den
Part will er sich wohl nicht nehmen lassen.«
    »Ja, jetzt verstehe ich wirklich.« Ihr falsches Lächeln verschwand und wanderte auf Michelles Lippen.

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    Kapitel 24
    D as Haus von Sebastian Graf sah anders aus, als Robert erwartet hatte.
Bieder
war das Wort, das ihm als Erstes einfiel, weiß ohne viel Schnörkel.
    Künstlerisch war höchstens die Menge Unkraut, die im Vorgarten wuchs. Der Maler schien nicht viel von Gartenarbeit zu halten.
    Kaum hatte Robert die Klingel gedrückt, öffnete Sebastian die Tür. Seine blonden Haare hingen ihm feucht und strähnig ins Gesicht, seine blasse Haut war rot gefleckt. Er verströmte den Duft von Badeschaum, seine Augen sprangen hin und her, als suchte er weitere Besucher. Offenbar hatte Robert ihn gestört.
    »Guten Abend, Robert Bendlin, ich arbeite für die Polizei. Es tut mir leid, dass ich Sie so spät noch belästige. Herr Graf, wir kennen uns bereits. Wir sind uns in der psychiatrischen Klinik Ruhrbach begegnet, erinnern Sie sich?«
    Der Mann stutzte, und Robert fiel auf, dass er schwer atmete.
    »Ähm«, der Mann schüttelte den Kopf, »tut mir leid. Nein, ich … oh doch, natürlich. Natürlich erinnere ich mich. Geht es um etwas

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