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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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ihren Gesichtern, und Dutzende Augen waren weit aufgerissen. Michelle erkannte sich in keinem von diesen Gesichtern wieder. Die Frauen vor ihr wirkten schwach und verloren. Sie alle verschnauften kurz, blickten sich in verschiedene Richtungen um und rannten dann wild durcheinander. Einige wenige schlüpften durch die nächste Tür in den nächsten Gang.
    Wieder allein, hielt Michelle sich rechts.
    Es roch nach Urin, nach Kloake und verbrannten Haaren.
    Schüsse fielen.
    Sie hetzte weiter, wieder durch eine Tür in den nächsten Raum, der eine Sackgasse war.
    Verdammt!
    Michelle drehte sich um, wollte gerade wieder raus, als das Grauen ihr Bewusstsein flutete.
    Du hast keine Zeit! Lauf weiter! Das geht dich nichts an!
    Doch Michelle konnte nicht ignorieren, was sie sah.
    Auf einer Liege vor ihr lag eine nackte Frau. Höchstens zwanzig Jahre alt und allem Anschein nach Asiatin.
    Unzählige Fäden ragten aus ihrem weit geöffneten Mund und verschwanden in einem Kasten unter der Decke. Auf dem Boden vor der Liege lagen ebenfalls Fäden, an deren Enden Murmeln befestigt waren. Es dauerte einen Moment, bis Michelle die Mechanik begriff.
    Sie erinnerte sich an ein Spiel, das sie mit ein paar Freundinnen in ihrer Kindheit gespielt hatte. Jede von ihnen hatte einen Faden geschluckt, und das Ende aus dem Mund baumeln lassen. Dann hatten sie ihn langsam, Stück für Stück wieder herausgezogen. Die mit dem längsten Faden hatte gewonnen.
    Hätte man Kugeln an die Enden gebunden und viele Fäden benutzt und sie mit einem gewaltigen Ruck herausgezogen …
    Michelle würgte. Welches kranke Hirn dachte sich solche Scheußlichkeiten aus? Und was würde den Mechanismus auslösen, der sich offensichtlich im Kasten über der Liege befand? Sie schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf die Frau. Ihre Lippen waren ausgetrocknet und aufgeplatzt, die Haut war mit Blutergüssen und Narben übersät.
    Tränen traten Michelle ins Gesicht. Die Verfolger waren so nah. Die Frau auf der Liege gab keinen Ton von sich, nur ihre Augen flehten.
    Vor der Tür wurden Stimmen laut. Jemand brüllte Befehle.
    Michelle schaute sich um. Sie brauchte eine Barrikade und etwas, das sie als Waffe benutzen konnte. Erst kam ihr der Taser in den Sinn, doch der hatte sein Potenzial verspielt. In einer dunklen Ecke stand ein Stuhl. Sie stürzte darauf zu und klemmte ihn unter die Klinke der Tür, die sie laut krachend ins Schloss geworfen hatte.
    Kurz darauf schlug einer der Männer dagegen und schrie etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Es klang wütend. Der Mann warf sich gegen das Holz, so dass der Stuhl zitterte.
    Michelle war kaum noch in der Lage, klar zu denken. Ihre Beine fühlten sich ebenso kraftlos an wie die Arme und Hände. Dennoch stürzte sie zur Konsole und riss die Schubladen auf. Irgendetwas Nützliches musste es hier doch geben. Sie wühlte sich durch rostiges Werkzeug, bis ihr ein altes Schweizer Taschenmesser in die Hände fiel.
    Sie klappte eine winzige Schere heraus und ging zu der Frau. »Schhhh!«, machte sie, »ich werde jetzt versuchen, Sie zu befreien. Bitte halten Sie still.«
    Der Anblick war so bizarr wie in einer Geisterbahn.
    Michelle fasste einen der Fäden, die aus dem Mund der Asiatin ragten, und schnitt ihn ab. Es ging leicht, aber es lagen noch so viele vor ihr.
    Wieder krachte die Tür, und der Stuhl knarzte gefährlich. Die Frau röchelte.
    »Ja doch.« Ein Faden nach dem anderen fiel der Schere zum Opfer.
    Ein Schuss fiel, und Teile der Tür splitterten. In Michelles Ohren bohrte sich ein hohes Fiepen.
    Sie musste schneller arbeiten. Hoffentlich reagierte der Kasten über ihr nicht auf Erschütterungen.
    Noch mehr Schüsse peitschten durch die Tür. Michelle hörte sie dicht an ihrem Ohr durch die Luft zischen und in die gegenüberliegende Wand einschlagen. Putz prasselte auf das Linoleum. Immer wieder schnitt sie mit der viel zu kleine Schere, die unsicher in ihrer Hand lag, an den Fäden vorbei.
    Die Frau blickte sie starr an. Jeglicher Verstand schien aus ihr gewichen zu sein. Jeder Atemzug war ein klägliches Jammern.
    Plötzlich explodierte die Welt. Mit einem lauten Krachen zerbrach der Stuhl, die Tür flog auf und zersprang dabei in mehrere Teile. Michelle wirbelte herum.
    Ein Mann kletterte über die Trümmer ins Zimmer und schoss um sich. Als er sicheren Boden unter den Füßen hatte, schaute er sich kurz um, hielt die Pistole in Michelles Richtung und feuerte weiter. Doch nicht sie war das

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