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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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Ritual abbrechen und wieder der Alte werden. Irgendwie. Notfalls mit Gewalt.
    Sie löste sich von ihm. Die Tabletten begannen zu wirken. Alles drehte sich, und ein seidener Schleier legte sich vor ihre Augen.
    Tommi hielt sie an den Schultern fest, um ihr Halt zu geben. »Es wird Zeit. Geh in dein Bett«, sagte er sanft und schob sie aus dem Zimmer. Sie war so unbeholfen in diesem Zustand. Sie wirkte noch zerbrechlicher, noch hilfloser.
    Sein Blick fiel auf die Wohnzimmeruhr. Ja, es war Zeit. Der nächste Schritt wollte getan werden. Als er sich umdrehte, um in den Keller zu gehen, war Lillian bereits verschwunden.
    Auf dem Weg in die Kellerräume begleitete ihn stets ein wohliges Kribbeln. Es war, als hinge er an einem Gummiband, und mit jedem Schritt erhöhte sich die Spannung. Ein Teil von ihm versuchte, ihn zurückzureißen, doch der stärkere drängte vorwärts. Hin zu einer neuen Welt, in der die Schuldigen gerichtet werden und nur die Unschuld überlebt.
    Rache. Das war alles, was ihn noch antrieb. Rache und dieses Kribbeln auf der Haut.
    Er öffnete die Geheimtür und sog den Geruch auf, der ihm entgegenströmte. Scharf war er, und schwer. Ein Geruch nach Mensch, wie er menschlicher nicht sein konnte. Für einen Moment schloss Tommi die Augen.
    Hinter dem Paravent rührte es sich. Das Monster, wie Lillian ihn nannte, war erwacht. Es wollte gefüttert und getränkt werden. Tommi grinste. Ein Monster, das Lillys einzige Rettung war. Das war so – inspirierend. Damit hatte er etwas ganz Besonderes vor. Ein Kunstwerk, das Leben retten konnte, musste auf besondere Art inszeniert werden.
    Tommi trat hinter den Paravent. Das Monster warf sich auf der Liege hin und her, versuchte, mit dem Knebel im Mund zu schreien. Doch was nützte es? Nichts.
    Gar nichts.

[home]
    Kapitel 31
    M ichelle hatte das Gefühl, in einer Abwärtsspirale gefangen zu sein. Mit jeder Stunde, die verging, wurde sie tiefer hineingezogen in einen Sumpf aus Schuld, Verzweiflung und Angst. Wie sollte sie da jemals wieder rauskommen? Wenn es zu tief runterging, das war ihr bewusst, fehlte einem die Kraft, wieder nach oben zu kriechen.
    Und selbst wenn. Was würde sie erwarten? Sie würde Lilly retten, nur um sie dann für viele Jahre zu verlieren. Denn ins Gefängnis würde sie gehen, daran war nun nichts mehr zu ändern.
    Was würde als Nächstes kommen? Tom wollte sie leiden sehen. Was also hatte er sich ausgedacht in seinem kranken Hirn?
    Sie bog nach rechts in die Industriestraße ein. Hier reihten sich hohe Lagerhallen aneinander, zwischen denen immer wieder kleinere Backsteingebäude mit Büroräumen standen. Egal, was sie erwartete, der Zeitpunkt war gut gewählt. An einem Freitag um diese Uhrzeit traf man hier selten jemanden an. In der Regel wurde in den vielen kleinen Firmen, die hier angesiedelt waren, um 15 Uhr die Arbeit niedergelegt.
    Michelle fuhr nach links in eine Sackgasse, vorbei an einer eingezäunten Lagerfläche für Pflastersteine, und hielt auf eine Halle zu, vor der sie schließlich den Wagen abstellte.
    Eine grüne Metalltür war der einzige Eingang, den sie entdeckte. Sie fasste die Klinke und verharrte, um sich zu sammeln. Sie atmete dreimal tief durch und trat ein.
    Im ersten Moment war alles schwarz. Durch die Oberlichter fiel nur wenig Licht in die Halle. Sie tastete nach einem Lichtschalter, fand jedoch keinen.
    Es blieb ihr nichts anderes übrig, als auszuharren, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Hinter ihr knallte die Tür mit einem Paukenschlag ins Schloss. Aufgeschreckte Tauben, die sich im Gestänge unter dem Dach eingenistet hatten, flatterten auf, und ein paar Federn segelten zu Boden, wo sie in der Schwärze verschwanden.
    Nach einer Weile wurde die Sicht besser, und Michelle traute sich, weiterzugehen. Ganz langsam. Lauschend. Jedes fremde Geräusch konnte etwas Böses bedeuten. Inzwischen traute sie Tom alles zu. Unvorstellbar, dass sie diesen Mann einmal geliebt hatte.
    Mehrere Reihen Stahlsäulen bewahrten das Dach vor einem Einsturz und boten gleichzeitig einem eventuellen Angreifer gute Verstecke.
    Links von ihr standen leere Hochregale aus Metall. Der letzte Regen hatte Pfützen auf dem Boden hinterlassen. Offenbar wurde diese Halle schon seit Jahren nicht mehr benutzt oder instand gehalten.
    Ihre Schritte und das Flattern und Gurren der Tauben waren alles, was sie hörte. In Michelles Kopf dröhnte der Puls. Die Zitteraale in ihrem Magen waren zurück, hatten sich in der

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