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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Fenster.
    Die Tablette hatte bereits dafür gesorgt, dass er sich etwas besser fühlte.
    »Dann essen Sie es gefälligst auch«, sagte sie und ging zurück in die Küche.
    Er griff zur Gabel, da er sich ihr nur ungern widersetzte, und starrte auf seinen Teller. Okraschoten, Saubohnen, Speckstreifen, zusammengerührt zu einem gerinnenden Klumpen. Anita Chester nahm die Reste mit nach Hause. Er stocherte in dem Essen herum, zerstach den Film über dem Gemüse. Dampf stieg vom Teller auf und beschlug seine Brille.
    Er spießte einen Speckstreifen auf und legte die Gabel wieder hin. »Ich dachte, du wolltest bleiben«, sagte er schließlich. Er sah sich rasch im Zimmer um, was mich daran erinnerte, wie leer das Haus sein würde.
    »Ich fahre nicht nach Miami«, sagte ich. »Ward kommt her.« Aber er schien mich nicht zu hören.
    »Alle gehen fort«, sagte er.
    »Ich bleibe«, sagte ich langsam. Er schaute mich an, als wüsste er nicht, wer ich war. »Ward will hier in Moat County einer Sache nachgehen«, sagte ich. »Er braucht einen Fahrer.«
    Mein Vater nahm das Glas Wasser und trank es aus. Als er es abstellte, war er wieder bei der Sache. »Warum kann er nicht selbst fahren?«
    Ich schüttelte den Kopf, da ich nichts dazu sagen wollte.
    »Ich weiß nur, dass er mit Yardley Acheman einige Wochen hier bleiben will.«
    »Und danach?« fragte er.
    Anita Chester kam wieder ins Zimmer, musterte den Teller meines Vaters sowie das Taschenmesser, das aufgeklappt daneben lag, und stemmte ihre Hände in die Hüften. »Wollen Sie das jetzt essen? Oder wollen Sie es auf die Folter spannen?« fragte sie. »Ich habe noch andere Sachen zu tun.«
    Ohne ein Wort nahm mein Vater den vollen Teller und reichte ihn Anita. Sie nahm ihn, griff dann nach meinem Teller und verschwand wieder in der Küche.
    »Was passiert danach?« fragte mein Vater noch einmal.
    Ich sagte, ich wüsste es nicht.
    NACHDEM MEIN VATER AM ABEND die Zeitungen gelesen hatte, erhob er sich aus dem Sessel, ging in die Küche und kam mit einem Bier und einer Flasche Wein zurück. Ein Glas. Er gab mir das Bier, setzte sich und schenkte sich Wein ein.
    »Als ich jung war und in diesem Geschäft anfing«, sagte er, »kannte ich einen Redakteur beim
Times-Herald
in New York. Er hieß Henry McManus und kam aus Savannah, Georgia. Bis auf den heutigen Tag ist er der ordentlichste Mensch, den ich je in einer Redaktion gesehen habe. Einmal die Woche ließ er sich die Haare schneiden, die Hemdsärmel blieben den ganzen Tag über bis zu den Handgelenken zugeknöpft, und er wurde niemals laut.«
    Mein Vater nahm einen Schluck Wein und sah mich fragend an, als wolle er wissen, ob er die Geschichte schon einmal erzählt hatte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jedenfalls gehörte sie nicht zu seinen Lieblingsgeschichten aus der Zeit mit Ralph McGill. Mein Vater lächelte und ließ den Kopf zurück in den Sessel sinken, bis er an jener Stelle ruhte, an der das Polster speckig geworden war.
    »Er beschriftete seinen Leimtopf mit seinem Namen, damit kein anderer Redakteur ihn benutzte, und wischte die Leimtropfen am Rand ab, ehe sie hart werden konnten«, sagte mein Vater, »so ordentlich war er.« Er schwieg und dachte an Henry McManus’ Leimtopf. »Und er wurde von seinen Kollegen so sehr geschätzt, dass sie seinen Leimtopf niemals benutzten, selbst wenn Henry nicht da war, um auf ihn aufzupassen. Henry war schon älter«, fuhr er fort, »er dürfte um die fünfunddreißig gewesen sein, was mir damals ziemlich alt vorkam, und er hatte bei etwa einem Dutzend Zeitungen gearbeitet. Trotzdem sprach er mit allen Leuten, vom Chef bis zu den Laufburschen, in einem respektvoll höflichen Ton, wie man ihn nur selten in einer Nachrichtenredaktion zu hören bekommt. Er war schnell und bearbeitete die Manuskripte sehr sorgfältig, sodass manch einer von uns Jungspunden abends, wenn wir Redaktionsschluss hatten, in der Bar auf der anderen Straßenseite saß und überlegte, warum er keinen bedeutenderen Posten hatte.
    Er benahm sich wie ein stellvertretender Chefredakteur und kannte die Stadt so gut wie jeder Reporter, obwohl er noch nicht einmal ein Jahr dort lebte. Irgendwann kamen wir schließlich zu dem Schluss, dass Henry McManus einfach keinen bedeutenderen Posten wollte und deshalb von Zeitung zu Zeitung zog.«
    Ich nickte, während mein Vater von seinem Wein trank und überlegte, ob dies das Ende der Geschichte war. Dann lächelte er wieder, während vor seinem inneren Auge ablief,

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