Paperboy
in Ruhe, folgte meinem Bruder, setzte sich auf dessen Bett und beobachtete ihn. »Das ist ihre Aufgabe«, sagte er. »Es ist mir egal, wo das Hotel steht, aber es ist wohl kaum meine Aufgabe, das Zimmer zu putzen, bevor ich es benutzen kann. Das ist nicht der Sinn eines Hotels.«
Yardley Acheman hatte die Schubladen in seinem Zimmer ungeöffnet gelassen. Seine Sachen steckten noch in zwei großen, teuren Lederkoffern, die er einfach mitten im Zimmer stehen gelassen hatte. Er stellte seine Schreibmaschine auf einen wackligen Tisch am Fenster, vor dem eine sonnengebleichte Jalousie hing. Durch die Jalousie drang gelb gefiltertes Licht ins Zimmer.
Mein Bruder hörte auf, die Schubladen sauber zu machen, und räumte nun sorgfältig seine Sachen ein, sortierte Socken, Unterwäsche und Hemden genauso, wie Mutter es uns beigebracht hatte. Langsam, um die Sachen nicht wieder durcheinanderzuwerfen, schloss er die Schubladen und stellte dann die Koffer in den Schrank.
Yardley Acheman beobachtete ihn unterdessen vom Bett aus. »Weißt du, Jack«, sagte er und wandte sich eher an Ward als an mich, »es geht das Gerücht, dass dein Bruder ein Zwangsneurotiker ist.«
Er war von der Sorte Mensch, die es genoss, eine Beleidigung auszusprechen, wenn durch die Anwesenheit einer dritten Person die Reaktion abgemildert wurde. Er war auch von der Sorte Mensch, die bestens mit den psychologischen Syndromen vertraut war, die gerade in Mode waren, da er regelmäßig in den Klatschspalten der Zeitschriften darüber las.
Mein Bruder schaute ihn an, begriff, dass die Bemerkung nicht ernst gemeint war, und lächelte zaghaft. Es war ein unnatürliches Lächeln, als müsste er einen Moment innehalten und sich daran erinnern, welche Bewegungsabläufe dazu nötig waren.
Auf dem Weg nach draußen kamen wir an der kleinen Wohnung von Mrs. Prescott vorbei. Die Tür stand offen, und Mrs. Prescott saß in ihrem Zimmer und wünschte sich, uns nie hereingelassen zu haben.
NOCH AM SELBEN TAG richteten mein Bruder und Yardley Acheman ihr Büro in einem großen Raum im ersten Stock über dem Moat-Café am östlichen Ende der Stadt ein. Irgendwann vor nicht allzu langer Zeit hatte man sich die Mühe gemacht, das Dach so zu verändern, dass das Gebäude einer Burg glich, eine Attraktion für Touristen, die auf ihrem Weg zu den langen Stränden im Süden hier vorbeifuhren. Der Umbau war genehmigt worden, obwohl weder das Café noch die Straße oder das County irgendetwas mit Burgen zu tun hatten. Der Name »Moat« leitete sich nicht von einem Burggraben, sondern von Luther Moat her, einem Sklavenhändler, dem einst das Land gehört hatte, auf dem heute die Stadt steht.
Die Verwandlung des Moat-Cafés in eine Burg war auf halbem Weg ins Stocken geraten, doch durch die erfolgten Baumaßnahmen – ein Turm, dessen Silhouette einem spitzen Papierhut glich – war oben ein kleines Zimmer entstanden, das der Hauseigentümer der
Miami Times
am Telefon für dreißig Dollar im Monat vermietete. Solange wir das Zimmer nutzten, roch es dort nach gekochten Zwiebeln.
Mein Bruder und Yardley Acheman stellten zwei schwere Holztische auf, die sie von der Schulbehörde erstanden hatten und in die an hundert Stellen die Initialen von Schülern geritzt worden waren, zwei Holzstühle auf Rollen, deren Räder abfielen, sobald sie bewegt wurden, einen kleinen Kühlschrank und ein lederbezogenes Sofa. Diese Sachen nahmen etwa ein Viertel der Ladefläche des Lieferwagens ein und waren von dort, wo sie abgestellt worden waren, nämlich unmittelbar an der Ladeklappe (man kann Reportern nicht sagen, wie sie einen Lastwagen beladen sollen, weil sie dann denken, wenn Lastwagenfahrer so verdammt clever sind, warum sind sie nicht Reporter geworden?), nach hinten gerutscht und gegen die Trennwand gekracht, ein Geräusch, das sich anhörte, als hätte ich mit dem Wagen rückwärts die Laderampe gerammt, was ich an meinem ersten Tag bei der
Tribune
fertiggebracht hatte.
Sie trugen die Sachen selbst nach oben, scheuerten sich die Knöchel auf, als sie die Möbel um die Kehren der Treppe bugsierten, und schabten Farbe von den Wänden. Von einem verschnörkelten Pfeiler, der das Treppengeländer stützte, schlugen sie den Aufsatz ab. Yardley fluchte pausenlos.
Ich durfte dieser Aktion als Zuschauer beiwohnen, jedenfalls ihrer unteren Hälfte, da ich im Lastwagen vor dem Café sitzen blieb.
Weder Yardley Acheman noch mein Bruder hatten jemals körperliche Arbeit verrichtet, weshalb sie
Weitere Kostenlose Bücher