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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Bist du da?«
    Ich stand auf, doch der Morast schloss sich sofort um meine Beine. Das Wasser schien warm und reichte mir bis zum Gürtel.
    »Hier unten ist ein bisschen Wasser!« rief ich. »Anderthalb Meter, würde ich sagen.«
    Dann war es still, während Ward das Gelände erkundete. »Offenbar sind wir zu weit nach Osten abgekommen«, sagte er schließlich. Seine Stimme klang gedämpft, und als ich spürte, wie meine Füße tiefer einsanken, trat ich einen Schritt zur Seite.
    »Der Uferrand ist eingebrochen«, sagte ich. »Pass auf, wo du hingehst, sonst fällst du über mich.«
    »Kannst du dich bewegen?«
    Blitze erhellten den Himmel, kurz darauf folgte heftiger Donner. Im aufzuckenden Licht konnte ich in der Böschung über mir das Wurzelwerk eines Baumes erkennen. Es sah aus wie ein Nest. Weiter links sah ich einen umgestürzten Baum, der mit der Krone im Wasser lag, danach sank das Ufer auf Wasserhöhe ab. Mir war plötzlich kalt.
    »Ich glaube, wir sind von dahinten hergekommen!« rief ich.
    Ein Blitz leuchtete auf, und der Donner ließ den Himmel erzittern. Es begann zu regnen. Trotz dieses Getöses konnte ich meinen Bruder über mir am Uferrand hören, wie er sich einen Weg durch das Dickicht bahnte.
    Und so fanden wir zurück zu der Stelle, an der wir Stunden zuvor zur Insel hinübergewatet waren; Ward, der mit schmerzenden Füßen gegen Äste ankämpfte, die er nicht sehen konnte, und ich, der hüfttief durch Wasser und Schlamm watete und an Schlangen dachte.
    MEINE SCHUHE STANDEN noch am Ufer, dort, wo ich sie hingestellt hatte. Das Auto war auch noch da, wo wir es zurückgelassen hatten, nur war es umgekippt worden und lag auf dem Dach, beleuchtet vom kleinen Innenlicht, die Türen geöffnet. Wir standen im Regen und starrten den Wagen an.
    »Weißt du, was das Schlimmste ist?« sagte ich. »Wir können uns nicht einmal reinsetzen, um das Gewitter abzuwarten.« Ward gab keine Antwort. Er wirkte müde. Die Kleider klebten ihm am Leib, und unter den Kleidern war er zerbrechlich und schwach.
    Wortlos begann er, in Richtung Landstraße zu gehen. Ich wartete noch einen Augenblick, betrachtete den im Wind schaukelnden Wagen und hoffte, der Wind würde ihn irgendwie wieder auf die Räder kippen und wir könnten nach Hause fahren. Dann drehte ich mich um, konnte Ward nicht mehr sehen und spürte die leise Angst, er könnte sich verirrt haben. Ich rannte zur Landstraße, rief seinen Namen und fand Ward, wie er regungslos dastand und in die Dunkelheit schaute.
    Er sah mich an und blinzelte. Der Regen strömte über sein Gesicht und troff ihm vom Kinn. Er sah blass aus, aber als er zum Sumpf hinübersah, lächelte er, und ich begriff, dass er erreicht hatte, was er wollte: Wir hatten einen Nachmittag mit Onkel Tyree verbracht.
    AN JENEM ABEND war ich zu müde, um noch nach Thorn zurückzufahren, und schlief deshalb in Yardley Achemans Bett. Das Kopfkissen roch nach seinem Rasierwasser. Einmal wachte ich nachts auf, der Geruch hüllte mich ein, und mir wurde schlecht.
    AM NÄCHSTEN TAG kehrte Yardley um zwei Uhr nachmittags mit Charlotte aus Daytona Beach zurück. Als sie hereinkamen, saß ich an Yardleys Schreibtisch und beschrieb dem Autoverleih in Orlando am Telefon in allen Einzelheiten die Geschichte des umgedrehten Wagens. Ich erklärte die Sache gerade zum dritten Mal, angefangen bei dem Vertreter im Büro in Palatka, bei dem wir das Auto gemietet hatten, bis nun zu diesem Mann in Orlando, und mit jedem Mal schien die Person, der ich von dem Vorfall erzählte, die Sache persönlicher zu nehmen.
    »Sie haben ihn im Sumpf stehen lassen?« fragte er. Er hatte einen unüberhörbaren Akzent.
    »Wir haben den Wagen am Ende der Straße abgestellt«, sagte ich, »und nicht im Sumpf stehen lassen.«
    »Und als Sie zurückkamen, stand er auf dem Kopf?« fragte er. Irgendwas an dieser Geschichte weckte das Misstrauen dieses Mannes, und er versuchte nicht, es zu verbergen.
    »Der Wagen stand auf dem Kopf«, bestätigte ich. Ich war müde, ich trug Yardley Achemans Hemd und eine von seinen Hosen, die mir im Schritt zu eng war und ebenfalls nach seinem Rasierwasser roch.
    »Aber Sie haben den Schlüssel stecken lassen …«
    »Glauben Sie, der Wagen stand auf dem Kopf, weil ich den Schlüssel stecken ließ?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, sagte er.
    In diesem Augenblick kamen Charlotte und Yardley Acheman zur Tür herein. Charlotte zuerst. Es sah aus, als hätte Yardley ihr die Tür

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