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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Moment und versenkte ihn dann in der Eiscreme. Er führte den Löffel an die Lippen, behielt ihn lange im Mund, und als er ihn herauszog, kam das halbe Eis wieder zum Vorschein.
    Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und die Frau trat seitlich mit ihrem Baby heraus. Sie trug ein Männer-T-Shirt ohne BH darunter und hielt ihren Blick zu Boden gesenkt, da sie weder mich noch meinen Bruder anschauen wollte. Sie setzte sich hinter Eugene auf die Erde.
    Der alte Mann steckte sich den Löffel erneut in den Mund, und als er ihn diesmal wieder hervorzog, war er leer.
    »Sind Sie Hillarys Cousin?« fragte mein Bruder plötzlich. Eugene hatte dem alten Mann beim Essen zugesehen, und sein Kopf fuhr herum. Er starrte Ward an, während der alte Mann eine Ladung Eis auf dem Löffel balancierte und in den Mund dirigierte. Das Eis war weich, und die ersten Tropfen fielen aus dem Karton auf seine Hose.
    »Hillary Van Wetter«, sagte mein Bruder. »Sind Sie sein Cousin?«
    Der alte Mann gluckste, den Löffel noch im Mund, als würde ihn das Eis glücklich machen. »Machen Sie sich nichts aus Eugene«, sagte er. »Der ist ziemlich gereizt, wenn er darauf wartet, an die Reihe zu kommen.«
    Mein Bruder nickte, und Eugene wandte sich ab und schaute wieder auf die Eiscreme. Die Frau, die Nächste in der Reihe, blickte verstohlen in dieselbe Richtung.
    Der alte Mann fing ihren Blick auf und sagte: »Eis«, ehe er sich den Löffel wieder in den Mund schob. Die Frau nickte kaum wahrnehmbar.
    Etwa zwanzig Minuten saßen wir draußen vor dem Haus, während der alte Mann sein Vanilleeis aß. Sumpfetikette. Fast ebenso sehr wie den Geschmack schien er zu genießen, wie sich das Eis in seinem Mund anfühlte. Einmal zog er den Löffel zwischen seinen Lippen hervor, legte ihn an seine Wange und lächelte. Das Eis schmolz und tropfte unaufhörlich auf seine Hose, der Fleck wuchs, bis er seinen ganzen Schoß bedeckte.
    Dann plötzlich hielt er inne, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, bis er den Stein berührte, an dem er lehnte. Er schien darauf zu warten, dass ein plötzlicher Schmerz verging, und kaum war er vorüber, warf er einen letzten, langen Blick in den Karton, der noch immer fast halb voll war, und gab ihn weiter an Eugene.
    Es tropfte aus dem Karton, als er weitergereicht wurde, und Eugene hob ihn an den Mund und saugte an den Ecken.
    Die Frau sah jetzt aufmerksamer zu, wischte Insekten von der Verpackung, achtete aber nicht auf die Mücken, die auf ihren Armen und Schultern hockten. Ihre Brustwarzen zeichneten sich überdeutlich unter dem Hemd ab, und ich musste mich abwenden, damit man mich nicht dabei ertappte, wie ich sie anstarrte.
    Der alte Mann verschränkte die Hände über dem Bauch und schloss die Augen. »Wird langsam dunkel«, sagte er, aber ich wusste nicht, zu wem.
    Mein Bruder nickte, als wäre ihm der Gedanke auch schon gekommen. Er ließ den Blick rasch über die Lichtung schweifen. »Gibt es noch einen anderen Weg zurück?«
    Der alte Mann öffnete die Augen und dachte nach. »Es gibt zwei Wege«, sagte er, »der Weg, auf dem Sie gekommen sind, und das Boot.«
    Wieder war es still. Mein Bruder würde ihn nicht darum bitten, uns überzusetzen. Der alte Mann lächelte ihm erneut zu. »Sie sind stolz, was?« sagte er.
    Ward gab keine Antwort. Der alte Mann wandte sich an Eugene, der sich über den Karton mit Eiscreme gebeugt hatte. »Diese Zeitungsjungen sind stolz, Eugene, das gefällt mir …«
    Eugene nickte.
    »Ich hätte richtig Lust, euch stolze Jungs überzusetzen«, sagte der alte Mann. Er wollte aufstehen, tat so, als ob er aufstehen wollte, und sank dann wieder zurück. Er schüttelte den Kopf. »Zu viel Eis«, sagte er. »Das Boot würde untergehen bei alldem, was ich in mir drin hab.«
    Er lächelte der Frau zu, die das Baby in ihren Armen vergessen und nur noch Augen für den Karton mit dem Eis hatte. Eugene vergrub die Hände darin, und zwischen seinen Beinen bildete sich eine Eispfütze. Es ließ sich nicht sagen, wie viel Eis noch übrig war.
    »Sieht aus, als müsstet ihr denselben Weg zurückgehen, auf dem ihr auch gekommen seid«, sagte der alte Mann. Ich stellte mir die Mokassinschlange auf einem Zweig im Dunkeln vor, stellte mir vor, wie ich meine Hand danach ausstreckte, um über den Baumstamm zu klettern.
    »Ich muss mit Tyree Van Wetter reden«, sagte mein Bruder, und es schien dem alten Mann die Laune zu verderben, dass es meinem Bruder offenbar nichts ausmachte, auf demselben Weg

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