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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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angewöhnt hatte, auf Distanz zu bleiben.
    ZU HAUSE ERZÄHLTE ich meinem Vater an jenem Abend, dass Yardley Acheman aufgeben wollte. Anita Chester war im Haus, putzte noch, und wir saßen auf der Veranda.
    »In eine Sackgasse geraten, wie?« sagte er und trank einen Schluck Wein. Er stellte das Glas auf den unebenen Bodenbrettern neben seinem Stuhl ab. Das Glas stand schräg, der Wein schwappte auf der einen Seite näher an den Rand als auf der anderen.
    »Nein, eigentlich nicht. Ward arbeitet noch.«
    Mein Vater dachte nach. »Dein Bruder ist ein verdammt guter Zeitungsmann«, sagte er schließlich, »aber alles weiß er auch nicht.« Er reckte die Arme über den Kopf und gähnte. Das Geräusch des Staubsaugers drang durch das Fenster seines Arbeitszimmers nach draußen. Am Himmel war kein Licht mehr, es musste gegen zehn Uhr sein. Ich fragte mich, warum er ihr nicht gesagt hatte, dass sie nach Hause gehen sollte. Sie hatte Kinder, die sie ins Bett bringen musste.
    »Ward weiß, was er tut«, sagte ich. Ich hatte meinem Vater nichts von dem Besuch bei den Van Wetters in den Sümpfen erzählt. Diese Geschichte hätte ihm gefallen. Zumindest würde er eine solche Geschichte sicher gern weitererzählen. Aber an jenem Tag war ich zu erschöpft, um mich erneut mit der Sache zu befassen.
    Eine wahre Begebenheit zu erzählen, erweckt sie irgendwie zu neuem Leben.
    Mein Vater nickte. »Er weiß, wie man an Storys rankommt«, sagte er, »aber er hat sich noch nicht damit abgefunden, dass die Storys in Zeitungen gedruckt werden und dass die Zeitungen von Menschen gelesen werden.«
    Das Geräusch des Staubsaugers verstummte. Mein Vater warf einen raschen Blick zum Arbeitszimmer hinüber und griff dann nach seinem Glas. »Die ganze Woche arbeitet sie schon länger«, sagte er und fuhr dann ein wenig sanfter fort: »Hoffentlich hat sie keinen Ärger zu Hause.«
    Die Hand streifte das Glas, es schwankte einen Augenblick, dann fiel es um und zerbrach. Er starrte die Scherben an und griff langsam nach der Flasche, die halb leer auf der anderen Seite seines Stuhls stand.
    »Hat sie Kinder?« fragte er. »Ich weiß gar nicht …«
    »Zwei«, sagte ich. »Sechs und neun.«
    Er nahm die Flasche und hielt sie ans Licht, als ob er das Etikett lesen wollte. »Hoffentlich sind sie nicht krank.«
    Kurz darauf kam sie durch die Verandatür, Handtasche und Arbeitsschuhe in der Hand, an den Füßen weiße Turnschuhe, die ihr bis über die Knöchel reichten. Sie ging stets zu Fuß nach Hause. Heute hatte sie es eiliger als sonst.
    »Gute Nacht, Mr. James«, sagte sie und ging zur Treppe.
    »Gute Nacht«, sagte er, und dann, noch ehe sie die Stufen erreicht hatte, fragte er: »Hätten Sie vielleicht noch eine Minute? Ich habe gerade ein Weinglas umgeworfen …« Einen langen Augenblick blieb sie wie erstarrt stehen, dann drehte sie sich wortlos um und ging zurück ins Haus, um einen Besen zu holen.
    »Ich hoffe nur, sie hat keinen Ärger mit ihren Kindern«, sagte er.
    WARD WARTETE AM MORGEN auf dem Bürgersteig vor seinem Hotel. Er stieg in den Wagen und knallte die Tür zu, was etwas zu bedeuten hatte, waren wir doch erzogen worden, die Türen des Chrysler nie zuzuknallen.
    »Ohne Yardley?« fragte ich.
    Er nahm sich Zeit für seine Antwort. »Er ist erwachsen«, sagte er schließlich, aber ich wusste, dass es ihm nicht gefiel, wenn Yardley bei den Mädchen im Ort übernachtete. Es machte ihn wütend. Schließlich war er für seine Story noch auf die Stadt angewiesen und wollte diese Quelle nicht vergiften.
    Da war noch etwas. Ward hatte gewisse Grundsätze, die er für sich behielt, die er aber immer einhielt. Ich hatte damals keine Ahnung, mit wie vielen Frauen er bereits geschlafen hatte, aber ich hatte ihn nie mit einer Freundin gesehen und nahm daher an, dass er nicht leichthin mit einer schlief. Er war nicht einmal gern im selben Zimmer, wenn jemand über Sex redete, vor allem nicht, wenn dieser Jemand Charlotte Bless hieß, die ohne Unterlass über Sex redete.
    »Hauptsache, sie ist auch erwachsen«, sagte ich, um ihn auf den Tag vorzubereiten, an dem auch ich zu spät und verschwitzt zur Arbeit kommen würde. Er drehte sich zu mir um. »Über achtzehn«, sagte ich, weil ich dachte, er hätte mich missverstanden, begriff aber, noch während ich redete, dass mir der springende Punkt entgangen war. Und eine halbe Sekunde später wusste ich Bescheid.
    Yardley war bei Charlotte.
    Schweigend fuhren wir weiter zur Moat Street und stiegen in

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