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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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noch nie trinken sehen, höchstens einmal ein paar Bier.
    »Sie müssen aber durstig sein«, sagte sie.
    Er gab keine Antwort, warf jedoch von Zeit zu Zeit einen Blick zu dem Tisch mit den beiden Matrosen. Sie tranken hellrote Daiquiris. Ein Matrose hob den Kopf und fing den Blick meines Bruders auf.
    Ward und der Matrose sahen einander an, und dann starrte auch der andere Matrose zu unserem Tisch herüber. Er hob sein Glas, ohne den Blick von uns zu lassen, und trank es bis auf den letzten Tropfen aus. Der harte Knoten in seiner Kehle hüpfte beim Schlucken auf und ab.
    Charlotte sah, was vor sich ging. »Um Himmels willen«, sagte sie, »das gibt eine Schlägerei.« Ich nahm an, dass dies nicht ihre erste Schlägerei sein würde und dass sie wusste, wovon sie redete.
    »Es wird keinen Ärger geben«, sagte mein Bruder. Und er trank den nächsten Drink beinahe ebenso rasch wie den ersten und bestellte sich einen dritten.
    »Ich glaube, ich weiß wieder, wo Yardley den Bauunternehmer aufgestöbert hat«, sagte Charlotte und versuchte, ihn von den Drinks und den Matrosen abzulenken. Er nickte, als hätte er längst gewusst, dass wir ihn finden würden. »Ich stand heute total neben mir«, sagte sie. »Ich bin emotional völlig fertig.«
    Dann sah sie mich an und zuckte die Achseln. »Hab zu viel an Hillary gedacht«, sagte sie. Als wäre ich derjenige, der sie verstehen könnte.
    »Was ist mit ihm?« fragte ich.
    Sie sagte: »Ich weiß nicht, er spukt mir nur immer im Kopf herum.« Eine Weile sprach keiner von uns ein Wort, und als ich wieder aufsah, starrten die Matrosen wieder zu unserem Tisch herüber. Sie schienen es jetzt allerdings eher auf Charlotte als auf meinen Bruder oder mich abgesehen zu haben. Offensichtlich wollten sie jeden von uns auf die eine oder andere Weise provozieren.
    Der Mann an ihrem Tisch redete, aber sie hatten an Drinks, was sie im Augenblick haben wollten, und hörten ihm kaum noch zu.
    »Vielleicht sollten wir woandershin gehen«, sagte ich.
    Ward nahm sich seinen Drink vom Tablett der Kellnerin, gab ihr einen Zehndollarschein und ging zur Toilette.
    »Er ist richtig nett heute Abend«, sagte Charlotte.
    Ich sagte: »Alkohol in den Mengen ist er nicht gewohnt.«
    Sie sagte: »Solche Mengen ist kein Mensch gewohnt«, und wir sahen ihm nach, wie er erst nach links, dann nach rechts schwankte. Auch die Matrosen schwankten bedrohlich, und dann stand einer von ihnen auf. Er kam an unseren Tisch, war aber nicht so groß, wie ich befürchtet hatte. Er beugte sich über Charlotte und starrte in ihre Bluse.
    »Hat dein Freund ein Problem, Mutti?« fragte er.
    Der andere Matrose grinste und beobachtete, was sein Kumpel anstellte. Irgendwann im Lauf der Jahre hatte er einen Vorderzahn verloren.
    Der Mann mit der Fliege hörte auf zu reden, aufgeschreckt von der drohenden Gewalt.
    »Außer dir hat hier keiner ein Problem, du Arschloch«, sagte Charlotte.
    »Sieht aber ganz so aus, als hätte er ein Problem«, sagte der Matrose und schaute jetzt mich an.
    Ich schüttelte den Kopf. Der Matrose machte mir Angst. Er legte seine Hand auf den Tisch und beugte sich zu mir herüber. Der Tisch verrutschte unter dem Gewicht. Er schob sein Gesicht zu mir heran, bis kaum noch zwanzig Zentimeter zwischen uns waren, dann wandte er sich langsam um, sah Charlotte an und lächelte.
    »Was glaubst du?« fragte er. »Haben deine Freunde ein Problem mit mir? Na ja, vielleicht hat der da ein Problem mit dem anderen, weißt du, die sehen nämlich aus wie Schwanzlutscher. Wir haben auch einen an unserem Tisch, vielleicht können wir da was arrangieren.«
    »Sie sind Brüder«, sagte Charlotte, musterte ihn dann von oben bis unten und sagte: »Und ich glaube, ihr habt alle ein Problem.« Einen Moment später sagte sie dann: »Ihr seid Arschlöcher.«
    Und meinte alle Männer.
    Diesen Ton hatte ich schon einmal gehört. Machte sie einen von uns fertig, machte sie alle fertig. Der Matrose hörte nicht auf, sie anzustarren, hörte nicht auf zu lächeln. »Mein Freund und ich haben gewettet«, sagte er, »dass du schon fünfzig bist.«
    Und er lachte, wandte aber mit einer heftigen Bewegung seinen Kopf ab und war meinem Gesicht plötzlich so nah, dass ich seine Miene nicht mehr erkennen konnte. Ich zuckte zusammen.
    »Was ist mit dir?« sagte er. »Hältst du uns auch für Arschlöcher?« Sein Atem stank nach Erdbeeren und Rum.
    Ich gab keine Antwort.
    »Du redest wohl nicht viel, was?« fragte der Matrose. Er richtete sich

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