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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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das Bedürfnis, meinen Bruder zu verteidigen, und verging wieder. »Ich fahre einen der Lieferwagen«, sagte ich.
    »Das ist nicht dasselbe«, sagte sie.
    »Nein, ist es nicht. Ich stehe etwa fünf Stunden früher auf.«
    Sie nickte, führte ihre Zigarette an die Lippen und streifte dabei meinen Arm. Ihre Haut fühlte sich kühl und weich an. Ich schätzte Ellen auf siebenunddreißig. Ich rutschte ein wenig zur Seite und befreite dadurch meinen Schwanz aus dem Schritt, sodass er sich in die Hosentasche aufreckte. Als drückte die Zunge gegen eine der Backen, dachte ich. Sie sah nicht auf meinen Schoß, lächelte aber, als wüsste sie, was dort vor sich ging.
    »Der Artikel Ihres Bruders hat der
Tribune
eine Menge Ärger gemacht«, sagte sie.
    »Er hat ihn nicht geschrieben«, sagte ich, »er lag im Krankenhaus.«
    Sie nickte, als ob sie alles wüsste und nichts sie überraschen könnte. »Eine gute Story«, sagte sie, und zwar so, als wäre es ihr Metier, derlei zu beurteilen. Sie warf einen raschen Blick durch das Fenster auf die Veranda, ohne jedoch die Leute zu beobachten, die sie dort draußen sah. »Er schreibt gut«, sagte sie.
    »Er hat ihn nicht geschrieben«, wiederholte ich. »Der andere Typ, Yardley Acheman, hat seine Notizen benutzt.«
    »Trotzdem ist es eine gute Story.«
    Als ich darauf nichts erwiderte, beugte sie sich vor, schaute mir von vorn ins Gesicht und lächelte. »Ein Fall von Geschwisterrivalität?« fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf, aber sie schien mir nicht zu glauben. »Großer Bruder wird der berühmteste Reporter in Florida?« Sie lächelte wieder, wollte mich ärgern. Und jetzt sah sie auf meinen Schoß.
    »Ist mir egal«, sagte ich. »Ich möchte kein Reporter werden.«
    »Sie fahren lieber Lastwagen«, sagte sie.
    »Das ist ehrliche Arbeit«, sagte ich.
    »Sind Sie gut darin?«
    »Ich bin schon eine Weile nicht mehr gegen die Laderampe gefahren. Besser wird’s wohl kaum werden.«
    Sie lehnte sich entspannt zurück und spreizte die Beine. Sie dachte ans Lastwagenfahren. »Ich denke, man sollte der Beste sein in dem, was man tut«, sagte sie. »Selbst wenn man Müll fährt, sollte man der Beste darin sein.«
    »Haben Sie schon mal Müll gefahren?« fragte ich.
    Ich hatte einen Ständer, aber ich würde nicht einmal mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten auf derselben Stufe sitzen und mir erzählen lassen, dass ich gemeine Arbeit – welcher Art auch immer – gefälligst ordentlich zu verrichten habe. Leute, die so was sagen, mussten selbst nie Müll fahren.
    Sie nippte an ihrem Bier, verlagerte das Gewicht und streifte mich dabei kurz. Sie fühlte sich so fest und straff an, wie Charlotte sich angefühlt hatte.
    »Wenn ich es machen würde, würde ich es gut machen«, sagte sie und stellte ihr Bier auf der nächsten Stufe ab. Als sie die Hand zurückzog, berührten sich unsere Beine. Ich hielt mein Bein genau da, wo es war, drückte es nicht gegen ihres und zog es auch nicht zurück. »Ich versuche immer, die Beste zu sein.«
    Wir redeten jetzt nicht mehr über die Müllabfuhr.
    Draußen auf der Veranda gab es irgendein Geräusch, etwas – jemand – war hingefallen, Gelächter. Es klang nicht sonderlich fröhlich, und ich konnte die Stimme meines Vaters nicht hören. Sie blickte gelangweilt hinüber.
    »Ihr Vater ist ein guter Redakteur«, sagte sie, »aber er braucht bessere Leute um sich.«
    »Er musste diese Woche einen Mann aus der Anzeigenabteilung feuern«, sagte ich.
    »Er sollte noch ein paar mehr feuern«, sagte sie.
    Wir blieben ein oder zwei Minuten lang stumm sitzen, und mir kam der Gedanke, dass sie etwas von mir erwartete, ich wusste aber nicht, was. Ich stellte mir vor, ihre Hand zu nehmen und sie in mein Zimmer zu führen. Aber im selben Augenblick musste ich an die Regale da oben denken, auf denen immer noch die Modelle standen, die ich mit acht oder neun gebastelt hatte, an die Trophäen aus den Schwimmwettkämpfen an der Highschool, die irgendwie noch älter zu sein schienen. Ich weiß nicht, warum ich diese Sachen nie fortgeräumt habe, vielleicht weil es nichts gab, was ich stattdessen hätte hinstellen können. Und so waren sie immer noch da, diese Artefakte meiner Kindheit. Selbst in meiner Fantasie schien es mir unmöglich, in diesem Zimmer mit einer Frau Sex haben zu können.
    »Sagen Sie ihm nicht, dass ich Ihnen das erzählt habe«, sagte sie.
    Ich starrte sie an und verstand kein Wort. »Dass er Leute feuern soll«, sagte sie. »Es würde die

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