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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Spiele zu moderieren, ist eine Sache, aber daß auch der Vorrat an Mitgliedern der Öffentlichkeit nie zu versiegen scheint, die willens und imstande sind, in einem Studio zu sitzen und ihnen zu applaudieren, das finde ich schlichtweg ehrfurchtgebietend.
    An einem Durchschnittstag sind in den britischen, per Antenne zu empfangenden Programmen über den ganzen Tag verteilt mindestens fünf quizartige Spielshows im Angebot. Beim Satellitenfernsehen kenne ich mich nicht aus, bin aber sicher, daß man auch dort in dieser Richtung manches zu bieten hat. Die gegenwärtige Saison, die mit dem Weihnachtsfest zu Ende geht, enthält
Brainwave, Keynotes, Going for Gold, Talkabout, Catchword, Fifteen to One
sowie die unvergänglichen
Blockbusters
. Jede davon wird werktags zwischen 9.00 und 16.00 Uhr ausgestrahlt, jede hat ihr festes Studiopublikum, und jede verfügt über eine ständig wechselnde Auswahl von Teilnehmern. Die angebotenen Preise reichen von bescheidenen Geldsummen bis zum Safariurlaub in Kenia. Eine weitere, noch albernere Show wird dienstags und donnerstags um 15.15 ausgestrahlt und von einem äußerst unterhaltsamen Herrn mit hüftlanger Allongeperücke moderiert; die Parolen lauten hier »Ich weise den Herrn Abgeordneten auf meine vor wenigen Augenblicken abgegebene Erklärung hin« sowie »Ruhe! Ruhe!« Hier besteht der Preis in einem rechteckigen roten Aktenkoffer mit dem unverwechselbaren Fallgitterlogoder Show sowie der Aussicht, ins große Finale zu gelangen, das unter Peter Sissons Vorsitz am Donnerstagabend ausgetragen wird.
    Es wäre ein leichtes, diese Amusements als schmerzlinderndes Geschwafel herunterzumachen, das ersonnen wurde, um einsame, Sherry schlürfende Hausfrauen davon abzuhalten, wahnsinnig zu werden, aber in Wirklichkeit zeigen sie die Weiterentwicklung eines der besten und bedeutendsten Instinkte der Menschheit: des Spieltriebs. Der
Homo ludens
wuchs als erster über die anderen Geschöpfe hinaus, nicht der
Homo sapiens
.
    Wenn Sie in diesen Wochen einen Spieleladen aufsuchen, sollten Sie sich nicht ärgern, wenn mit neuen und imposanten Spielen überquellende Regale an die Stelle der alten trauten Zweisamkeit von Monopoly und Scrabble getreten sind. Neben Trivial Pursuit, das zu einer Explosion von Quizteams in Pubs und Clubs geführt hat, finden wir Hunderte von spezialisierten Wortspielen, Brettspielen, Strategiespielen und albernen Spielen ohne Sinn und Zweck. Ein simpler Satz Spielkarten oder ein Würfelbecher können vielleicht immer noch mehr echtes Vergnügen bereiten, aber Tatsache ist, daß Gesellschaftsspiele als Zeitvertreib einsamen und unsozialen Formen der Freizeitbeschäftigung immer mehr den Rang ablaufen.
    Wenn Sie mutterseelenallein zu Hause sitzen, dann hält das Zuschauen beim Spielen anderer im Fernsehen zumindest die Instinkte wach und befriedigt, wenn auch nur als Ersatzbefriedigung, die Freude an Lustbarkeiten.
    Wenn meine Tätigkeit auch, wie gesagt, großenteils die eines Spielers ist, so vermag doch nichts meinen Hunger auf Spiele zu sättigen. Über Weihnachten werde ich der Miesepeter sein, der – während andere, umgeben von Mandarinen- und Nußschalen, lautstark darauf drängen,
ET
oder die Queen anzusehen – darauf besteht, daß die ganzeBagage mit Spielen antritt. Langzeitstudien haben ergeben, wie alle Lügner ihre Argumente einzuleiten pflegen, daß Spieler länger leben. »Aber was ist das für ein Leben?« rufen die Haarspalter. Worauf ich die Antwort des WOPR-Computers in dem Film
War Games
wiederholen möchte, nachdem er gefragt worden war, ob sein Tun real oder gespielt sei: Gibt es da einen Unterschied?

Eine Droge auf dem Markt
     
    Auf einer Konferenz der Conservative Party vor einigen Jahren konnten Angehörige der Presse, der Partei und der Öffentlichkeit einen merkwürdigen Mann erblicken, der mit einem Transparent vor dem Haupteingang des Parteitagsgebäudes auf und ab schritt. Auf der einen Seite seines Banners standen die von Anmut und Liebreiz geprägten Worte SOFORTIGE RÜCKFÜHRUNG ALLER EINWANDERER.
    »Aha«, denken Sie jetzt, »ich weiß, was er vorhat. Das unerträgliche Antlitz der Unerträglichkeit.« Ich frage mich jedoch, ob Sie wohl erraten, welches Motto auf der Kehrseite seines Wimpels hervorgehoben ward. Wenn Sie mit der schrägen Logik des rechtskonservativen Liberalismus vertraut sind, können Sie es ja mal probieren. Legen Sie die Zeitung weg, und denken Sie kurz nach.
    Die Zeit ist um. Wenn Sie es richtig erahnt

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