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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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mir geschenkt, mein getreues »Double« bei den Dreharbeiten zu
Jeeves and Wooster
, der ihn seinerseits von der Filiale des Blockbuster-Videoshops in Slough als Belohnung bekommen, weil er bei ihnen eine Videokassetteausgeliehen hatte. Wie er in ihre Hände gelangt war, kann ich nur vermuten; ohne Zweifel zieht sich die übliche Spur aus Blut, Ehrgeiz, Rachsucht und Mißgeschick, die allen berühmten Werken an den Fersen klebt, hinter ihm her, seit er die Fabrik in China verlassen hat, wo er hergestellt worden war. Ja, China. Merkwürdig, nicht wahr, daß die riesige Mauer aus Turtle-Gimmicks, das einzige, was an diesem Rezessionsweihnachtsfest noch zwischen der High Street und dem Bankrott steht, ausgerechnet den Manufakturen und Ausbeuterbetrieben in der Republik China soviel Arbeit gegeben hat, deren grauenhafte Gerontokratie doch für eines der ekelerregendsten und schamlosesten Massaker seit Kriegsende verantwortlich ist.
    Die Turtles – für jene unter Ihnen, die sie noch nicht kennen – sind komische junge Wesen namens Leonardo, Raphael, Donatello und Michelangelo, die mit einer Ratte als Sensei und ihrer Menschenfreundin April in der Kanalisation leben. Ihre Hingabe gilt der Pizza sowie der Vereitelung der üblen Pläne ihres Erzfeindes, des Shredders. Bei Jugendlichen in aller Welt haben sie durch eine Zeichentrickserie und einen Kinofilm so phänomenalen Erfolg gehabt, daß einem auf die Schnelle kaum noch ein Gegenstand einfällt, der nicht mit den Turtles warb. Zahnbürsten, Tagesdecken, Geschirr, Puzzles, Kaugummi, Unterwäsche, Hüte, Mäntel, Handschuhe, Wecker, Toilettenpapier, Computerspiele, Dosenspaghetti, Tapeten, Hühneraugenpflaster, ich sollte mich nicht wundern, wenn selbst
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turtlisiert und in Läden ausgestellt worden sind. Aus den bestmöglichen Motiven haben die Verantwortlichen mit großer Sorgfalt die Preise dieser Artikel gerade noch niedrig genug gehalten, daß Mummy und Daddy ohne allzu lautes Gezeter dafür blechen können. Daher bleiben die Fabriken im Westen untätig, was die Produktion dieser Kloakalreptilien angeht. Die unterbezahlten Milliarden, diesich unter dem Joch der unaussprechlichen alten Bestien abplacken, die die Volksrepublik China terrorisieren, arbeiten daran, uns die Weihnachtsstrümpfe zu füllen.
    Wir im Westen handeln bei dieser genauso wie bei allen anderen Angelegenheiten aus Motiven des reinsten Altruismus. WIR TREIBEN KEINEN HANDEL MIT TYRANNEN, außer natürlich, wenn diese Tyrannen über Fabriken verfügen, die auf die Produktion von Turtles-Erdnußbuttergläsern umgestellt werden können. Sosehr uns das Blutbad auf dem Tiananmen-Platz anwidert, so gut wissen wir doch, SANKTIONEN BEWIRKEN NICHTS, außer wenn die Sonne im Zeichen des Schützen steht, in welchem Fall wir als zivilisierte Nation selbstredend unverzüglich Sanktionen durchführen müssen. Unsere Unterstützung der chinesischen Studenten und Liberalen sowie ihres Kampfes für Demokratie zeigen wir nicht, indem wir China vom Rest der Welt abschotten, sondern indem wir ihnen Pläne für Turtle-Bleistifthalter geben. Das alles ist Teil dessen, was wir EIN MORALISCHES BEISPIEL ABGEBEN nennen. Oder auch einen moralischen Bleistift.
    Wenn alle Gegenstände, die wir benutzen und besitzen, die Gerüche und Töne und Wahrnehmungen abgäben, die in ihre Produktion eingeflossen sind, wäre die Welt dann nicht außergewöhnlich? Ein BMW würde Ordnung und straffe Effizienz ausstrahlen, ein handgefertigter Tisch würde nach einem Tischlerbetrieb und Stunden hingebungsvoller Handwerksarbeit riechen, und ein Turtle-Pyjama würde das enge, dunkle Geklapper einer Schinderfabrik hinausschreien, in der Kinder und junge Frauen Stunde um Stunde für den Gegenwert, sagen wir, einer Packung Corn Flakes schuften, die dann ein Turtle-Geschenk aus Plastik enthält.
    Vielleicht, Himmel hilf, bin ich naiv. Aber vielleicht, Himmel hilf noch hurtiger, ist die Hoffnung noch naiver,das chinesische Volk könne um den Preis einer Million Leonardo-Kaffeebecher aus Plastik seine Freiheit erlangen.
    Am besten schließt man wahrscheinlich die Augen, vergißt, woher die Dinge kommen, wer sie herstellt und unter welchen Bedingungen, und denkt daran, daß Handel Handel ist, Geschäft ist Geschäft, und jeder ist sich selbst der Nächste. Schließlich haben wir doch Weihnachten.

Ein Schwätzer schwatzt
     
    Ich schätze mich glücklich, als Angehöriger einer heimtückischen Macht für Sie schreiben zu dürfen, als Teil einer

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