Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
haben, teilen Sie entweder die politischen Ansichten dieses Mannes, oder Sie sind ein kultivierter und kenntnisreicher Beobachter der sozialen Szene, denn auf der anderen Seite des Plakats dieses Konferenzbesuchers stand: LEGALISIERT HASCHISCH SOFORT.
Die Legalisierung von Cannabis ist schon seit langer Zeit eine interessante Angelegenheit. Der Bericht, den dieBaroness Wootton of Abinger vor gut zwanzig Jahren vorlegte, hatte an der Droge nichts auszusetzen und schien ihre Entkriminalisierung zu befürworten. Als jemand, der während seiner ganzen Erziehung mit Anti-Drogen-Literatur, Filmen und Predigten bombardiert wurde, habe ich seit langem das Gefühl, daß die Strategien der Leute, die den Konsum verbotener Betäubungsmittel verringern wollen, hoffnungslos fehlgeleitet sind. Wenn Drogenabhängige der leicht zu beeindruckenden Jugend permanent als picklig, kotzend, torkelnd und unzusammenhängend vor sich hin brabbelnd dargestellt werden, dann erscheinen Drogen natürlich nicht mehr als so verlockend, d’accord. Die Wirklichkeit ist jedoch weniger eingleisig. Jeder moderne Jugendliche muß einfach irgendwann im Laufe seines Lebens über einen Drogenkonsumenten stolpern. Ich erinnere mich noch sehr gut an das erste Mal, wo ich jemanden traf, der, wie man mir aufgeregt zuflüsterte, ein echter Junkie war, und das schon seit Jahren. Stellen Sie sich mein Erstaunen vor, als ich sah, daß seine Haut rein war, sein Haar seidig glänzte, seine Augen leuchteten, seine Aussprache gut moduliert und deutlich artikuliert und sein ganzes Benehmen untadelig war. All die warnenden Filme, die strengen Vorträge der in die Klasse eingeladenen Polizisten und die einschüchternden Flugblätter, die einem seit der Grundschule aufgedrängt worden waren, sie alle waren lediglich Sensationshascherei und hysterische Propaganda gewesen. Das Gefühl, der Verschwörung einer älteren Generation von Spielverderbern zum Opfer gefallen zu sein, war wirklich stark und ließ einen, wenn überhaupt, die verbotenen Früchte des Mohns nur noch mehr begehren, jetzt, wo feststand, daß sie beileibe nicht so verderbenbringend waren, wie die Warnungen suggerierten.
Es gibt die berühmte Geschichte einer vor einigen Jahren erst gedrehten Fernsehdokumentation über eineGruppe Heroinsüchtiger. Die Gruppe war mittleren Alters, wohlhabend und erfolgreich. Ihre Mitglieder waren seit zweiundzwanzig Jahren Junkies. Ihr Benehmen, Erscheinen und ihre Lebensweise waren völlig normal, tadellos und unaufregend. Die Dokumentation wurde nie gesendet, aus Angst, womöglich zu zeigen, daß Drogensucht nicht unbedingt der Alptraum sein muß, als den wir ihn unter Einsatz von soviel Zeit und Geld unseren jüngeren Generationen darstellen.
Die Wahrheit ist doch: Wenn Sie fleckige Haut sehen wollen, trübe Augen, sinnloses Gestammel, unkoordiniertes Schwanken, Stolpern und Würgen, dann suchen Sie keinen Junkie, suchen Sie einen Trinker. Eines der großen, unausgesprochenen Mysterien unseres wie der vorangegangenen Zeitalter ist die Vorherrschaft des Alkohols im öffentlichen wie im Privatleben. Einzelne Trinker machen wir zur Zielscheibe unseres Spotts: Oliver Reed, George Brown, George Best und andere, aber wir sehen über die Tatsache hinweg, daß ein sehr großer Anteil aller Journalisten, Politiker, Schriftsteller, Juristen, Richter, Bankiers und Beamten in einem Ausmaß trinken, das jeden Mediziner dazu brächte, sie als Alkoholiker einzustufen. Alkohol ist als Droge weitaus gefährlicher als die meisten anderen, die man nur auf Rezept bekommt. Reiche Alkoholiker können sich – genau wie reiche Junkies – jahrelang mit vergleichsweise gutem Qualitätsstoff über Wasser halten, nur die armen und ungebildeten Säufer und Süchtigen stolpern die Straßen entlang, sind streitsüchtig und von mutwilliger Zerstörungslust, stehlen und fallen Obdachlosigkeit und Demütigung anheim.
Die alten Griechen kannten das Sprichwort, der Wein sei der Spiegel der Seele. Nur ein Narr macht dem Spiegel Vorwürfe, wenn das von ihm reflektierte Erscheinungsbild nicht gefällt. Den Alkohol zu verbieten, bloß weil manche Leute nicht mit ihm umgehen können, kommt den meistenvon uns aberwitzig und undenkbar vor; dasselbe in bezug auf bestimmte Narkotika könnte man für genauso närrisch und repressiv halten. Bekanntlich setzen sich die Argumente für ihre Entkriminalisierung allmählich auch bei Ärzten und Mitgliedern von Regierungsstellen und privaten Organisationen durch, die
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