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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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alles.
    DOMINIC Aha.
    BROOKSHAW Ganz recht, »aha«.
    DOMINIC
Alles?
    BROOKSHAW Alles.
    DOMINIC O Gott. Äh, was genau war alles?
    BROOKSHAW Daß Sie ihm seit einem Jahr abends in Ihrem Zimmer Lateinnachhilfe erteilen, und daß Sie dem Jungen während dieser Nachhilfestunden wüstere und vielfältigere sexuelle Mißhandlungen zugefügt haben, als einem normalen Menschen je in den Sinn kommen könnten. Zunächst voller Stolz, später jedoch voller Scham, nachdem ich ihm nämlich ernsthaft auseinandergesetzt hatte, welche Kreise diese Ereignisse ziehen könnten,setzte Cartwright mich darüber in Kenntnis, daß im Laufe dieser wüsten Verrichtungen jedes einzelne Körperteil des Jungen wie auch Ihrer selbst einbezogen worden ist. Verrichtungen, Clarke, die unter anderem, was ich einfach immer noch nicht nachvollziehen kann, die Vergewaltigung und Verletzung der … der … Kniekehlen beinhalteten. Also, haben Sie dazu etwas vorzubringen?
    DOMINIC
(ruhig)
Nein. Es stimmt. Das ist richtig. Wir haben auch die Kniekehlen eingesetzt. Wiederholt sogar.
    BROOKSHAW Ist das alles?
    DOMINIC Mit einigem Erfolg, wie ich voller Freude sagen darf. Wir mußten dafür allerdings …
    BROOKSHAW Jetzt passen Sie mal auf, Clarke …
    DOMINIC Nein. Sie passen jetzt mal auf –
    BROOKSHAW Ich hab’s aber zuerst gesagt.
    DOMINIC Mir doch egal. Lassen Sie mich jetzt mal ausreden. Wie Sie wissen, Brookshaw, bin ich ein junger Mann, der im Leben wenig zu gewinnen oder zu verlieren hat. In der Schule war ich immer der Prügelknabe, das wußten Sie wahrscheinlich nicht. Sehen Sie, ich habe dort versucht, mich gegen die Banausen durchzusetzen. Mein Plan war, für das Ästhetische gegen das Athletische einzustehen. Aber das Athletische hat von jeher den Vorteil körperlicher Kraft gehabt, folglich ließ man mich leiden, ziemlich schlimm sogar. Physisch bin ich nicht nur ein Feigling, sondern auch schwach und ungeschickt, und es machte den Barbaren einen Heidenspaß, mir Rollschuhe an die Füße zu binden und sich dann zu verdünnisieren, um die Katastrophe von ferne zu genießen. Bei einer solchen entsetzlichen Gelegenheit gelang es ihnen, mir unter Mithilfe eines Feuerlöschers eine saubere Beckengürtelfraktur zuzufügen. Diesen Bruch vergab ich ihnen, aber ich habe ihnen nie vergeben, meinen Geist gebrochen zu haben. Ich schwor, mich an derganzen Meute zu rächen. Rache per Indoktrination und Propaganda, die sich gegen die Quelle des ganzen Übels richten sollte. Ich aber beschloß, Lehrer zu werden.
     
Ich dachte – Gott allein weiß, wie ich darauf kam –, in Cambridge würde mir das Leben etwas leichter fallen, es würde dort einen Kreis geben, der meine Vorlieben und Interessen teilt, der Swinburne und Elizabeth Barrett-Browning genauso versteht und liebt wie ich. Ich war jedoch am Boden zerstört, als ich erfahren mußte, daß der Wind mir aus Paris, von Postmoderne und amerikanischem Roman her ins Gesicht wehte, und daß alles, was mir lieb und teuer war, in demselben kalten, grellen, harten Licht betrachtet wurde, vor dem ich schon immer Angst hatte. Mir wurde ex cathedra mitgeteilt, daß Swinburne, mein geliebter Algernon, kitschig und wenig konkret war. Selbst in Cambridge war ich also ein Sensibelchen in einer Welt literarischer Rugbyspieler. Im Land von Rupert Brooke, benetzt von seinem Flusse, behütet von seinem Cambridger Himmel und beschattet von seinen Kastanien und unsterblichen Ulmen, und dennoch umgeben von Leuten, die alles verhöhnten, was ihm so viel bedeutet hatte, und die Grantchester aussprachen, als reime es sich auf Manchester. Ich kämpfte mich durch Cambridge hindurch und verließ es als gerupftes und welkes Veilchen. Für mich liegt Lust zwischen den Schenkeln eines Knaben, unter fünfzehn, blond und willig, oder auf den Seiten eines romantischen Lyrikers, der in seinen Versen vergang’ner Lieb’ und Schönheit nachseufzt. Cambridge bot mir keins von beidem: Heute verstehe ich, warum, aber inzwischen ist es zu spät für mich. Und so kam ich hierher, teils, um die Samen dieser Lüste den Geistern und Schenkeln der Buben in meiner Obhut weiterzugeben, teils, um einer Welt zu entkommen, die ich nicht länger verstand. Statt dessen muß ich Common-Entrance-Lateinlehren und Cricket schiedsrichten. Das war bitter, wirklich bitter. Doch fand auch ich meine halkyonischen Tage – ich entdeckte Cartwright, den Eisvogel. Er ist entzückend, Brookshaw, einfach entzückend. Eine strahlende Sonne, deren bloßes Lächeln

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