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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Früchte reifen läßt und Blüten öffnet. Mir fehlen die Worte, um die fabelhafte Schwerstarbeit, Initiative, Hingabe, das Flair und die auffällige Galanterie zu beschreiben, die er an den Tag legte, um sich diese Hauspunkte zu verdienen. Am Sonntagabend bin ich in Morgenmantel und Hausschuhen ins Lehrerzimmer hinuntergeschlichen, um sie einzutragen. Wahrscheinlich hatte ich geahnt, daß man mich erwischen würde, aber ich mußte einfach etwas unternehmen.
(holt Luft)
Jane saß beschwipst unten und roch nach Desinfektionsmittel. Ihr Feierabend hatte eben erst begonnen, und sie trug noch die weiße Kunststoffhaube ihrer Wirtschafterinnentracht. Sie saß in einem Sessel, in
Ihrem
Sessel, glaube ich, mit einem Glas Gin und Gee’s Likör in der Hand. Sie sah, daß ich zitterte – ich überlegte gerade, wie ich all diese Punkte auf einmal ins Hausbuch eintragen sollte, ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen –, und auf einmal, ohne jede Vorwarnung, brach sie in Tränen aus und erzählte alles. Sie gestand mir, daß sie sich seit meiner Ankunft in Chartham körperlich zu mir hingezogen fühle und nach dem Beischlaf mit mir sehne. Sie ist von dunkler Lüsternheit, Brookshaw, und sie erstickt hier. Ich weiß nicht, was plötzlich in mich fuhr, ob es an der Hitze lag oder an den Dämpfen von Gee’s Likör oder sonst etwas, jedenfalls begann ich Byron zu zitieren. »Die Schönste schreitet durch die Nacht, beglänzt nur von der Sterne Licht. Und alles Hell und Dunkel lacht aus ihrem Aug’ und Angesicht.« Na ja, danach kam es mir ganz natürlich vor, ihr einen Antrag zu machen. Sollte sie mir einenKorb geben, dann konnte ich ihr meinen Körper immer noch aus religiöser Überzeugung verweigern, und sollte sie einwilligen, so konnte ich die geschlechtliche Vereinigung in dem Wissen über mich ergehen lassen, daß dies halt der Preis ist, den ich zahlen mußte, um das Direktorenamt zu erben, sobald ihr Vater stirbt. Das schien mir ein sauberer Ausweg zu sein. Aber nun wissen Sie ja um meine … Affaire mit Cartwright. Letztlich war es eben doch dumm von mir, diese ganzen Punkte einzutragen, ich weiß nicht, warum ich mich nicht gebremst habe … und Cartwright verläßt uns am Trimesterende. Nur noch sechs Wochen, bloß sechs Wochen!
Hören Sie, ich habe nicht das Gefühl, daß Sie sich in einer Lage befinden, aus der Sie mich unter Druck setzen können. Ist Ihnen denn nie der Gedanke gekommen, daß jemand anders das Mädchen heiraten würde, jemand von außerhalb? Sie sind ein alter Mann, Brookshaw, Sie schaffen’s nicht mehr bis zum Direktor. Wenn ich nicht der nächste Häuptling werde, wird es jemand, den Sie nicht kennen, und dieser Jemand könnte einen Freund mitbringen, der dann Ihre Position übernimmt. Denken Sie mal drüber nach, bevor Sie sich jetzt hinreißen lassen. Nun?
     
    BROOKSHAW Sie sind ein schlauer Fuchs, Dominic, aber ich bin immer noch am Zug. Ich kann jederzeit die Polizei holen.
    DOMINIC Selbstverständlich.
    BROOKSHAW
(seufzt)
Aber ich fürchte, Sie haben recht. Ich kann wirklich nicht mehr Direktor werden. Es ist zu spät. Ich glaube, im Grunde ist mir das seit einiger Zeit klar.
(überlegt)
Sie werden folgendes tun, Dominic, falls Sie wünschen, daß ich über Ihre kleinen Eskapaden Stillschweigen bewahre.
    DOMINIC Erpressung ist illegal, wissen Sie.
    BROOKSHAW
(etwas gereizt)
Meine Kenntnis des Strafrechts mag beschränkt sein, aber ich habe doch eine recht gute Vorstellung davon, daß es nicht gerade
comme il faut
ist, wenn ein sechsundzwanzigjähriger Lehrer geschlechtlich mit einem Dreizehnjährigen verkehrt, den er
in loco parentis
erziehen soll. Jawohl, Dominic,
in loco parentis
.
    DOMINIC Inzest können Sie mir aber nicht in die Schuhe schieben!
    BROOKSHAW !
    DOMINIC ’tschuldigung. Gut, also wieviel?
    BROOKSHAW Wie bitte?
    DOMINIC Wieviel wollen Sie?
    BROOKSHAW Das ist keine Frage des Geldes, Sie dummer Junge!
    DOMINIC Ja, was wollen Sie denn dann?
    BROOKSHAW Ich werd’ Ihnen sagen, was ich will. Hören Sie gut zu, Dominic. Sie werden ganz genau tun, was ich Ihnen sage.
(blättert in einem Notizbuch oder Kalender)
Wie Ihnen bekannt ist, sind einzig der alte Herr und ich als Senior befugt, bei den Jungen die Prügelstrafe für schlechtes Benehmen zu erteilen. Nun haben Sie, Dominic, die Unsitte, wenn ich so sagen darf, den Übeltäter stets zum Direktor zu schicken und nie zu mir. Dieses Ärgernis wird ab sofort ein Ende haben. Von nun an werden Sie Ihr möglichstes tun, um

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