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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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weiter. Trotz meiner inneren Erregung und meines großen Hustenanfalls gelang es mir, ein cooles, gelassenes Äußeres zu bewahren, womit ich Prestwick-Agutter imponieren wollte, den mein cooler Schneid sichtlich amüsierte. Ich strotzte nur so vor Britensaft und -kraft, und in mir ward der Geist der Public School geborn. Nach ungefähr einer Stunde fing es an zu regnen, also flitzten wir in die nächste Halle und lehntenuns gegen die Pfeiler. Es war ein Nachmittag erlesener Pein. Später an jenem Abend, als eine Rotte ungehobelter Banausen, darunter auch Prestwick-Agutter, über mein Zimmer herfiel, bekam ich endgültig eine Männerstimme. Wirklich, mit einemmal. Ich war fast siebzehn, eigentlich ziemlich peinlich. Nachdem ich mich also mehrere Jahre lang wie ein Mann benommen hatte, während mein Jungenkörper langsam zu männlichen Formen heranwuchs und -knackte, wurde ich zum richtigen Mann und bin heute einer zum Behagen der Welt, mir jedoch zu Trotz und Verdruß. Ich habe nie darum gebeten, ein Mann zu sein. Ich wollte nie ein Mann sein. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will auch keine
Frau
sein, ich habe das Gefühl, das wäre noch scheußlicher, ich könnte mir nie vorstellen, eine Frau zu sein. Nein, sehen Sie, ich bin das, was die Ärzte einen ekelhaften Perversen nennen. Ich will ein Junge sein. Ich hätte von Anfang an gar nicht wachsen sollen. Ich will ein Junge sein. Manchmal ziehe ich Jungensachen an, auch wenn sie zu klein und zu eng sind, und ich mag das. Es wäre so schön, wieder ein Junge zu sein, diese prekäre Balance zwischen weicher Passivität und komplettem Schwachsinn wiederzufinden.
(wird immer erregter)
Wenn ein Junge nicht wie ein Mann denken und sich benehmen müßte, wenn ein Junge in der Zeit, wo die Natur ihm Pickel und Haare durch die Haut treibt, der Schule und der Männerwelt fernbleiben und sich einfach weiterhin wie ein Junge aufführen könnte, dann würde die Natur vielleicht kapitulieren, und die Pickel und Haare würden wieder verschwinden. Der ewige Junge wäre erschaffen. Einen Versuch wär’s doch wert. Hm.
(Pause)
Als ich herkam, hatte ich ein ganz einfaches Ziel. Einerseits kam ich natürlich aus schierer päderastischer Sehnsucht und andererseits, wie ich Brookshaw erklärte, um die barbarischeFäulnis mit Stumpf und Stiel auszurotten. Aber ich war auch auf der Flucht vor der Verantwortung des Erwachsenen. Hier bin ich schließlich bloß der ranghöchste Präfekt. Aber zweimal bin ich zu weit gegangen. Jetzt habe ich eine absolut respektable Schule an den Rand des Abgrunds gebracht, einem Jungen, der nach Ampleforth wollte, einen Strich durch die Rechnung gemacht und mir eine Direktorenstelle verscherzt: bloß weil ich die Handschrift eines Jungen nachgeahmt habe, übrigens eine Tat, die mir zusätzlich eine gewisse sexuelle Erregung verschaffte. Gott weiß, was passieren würde, wenn ich hierbliebe. Oder weiterginge.
(Pause)
Obwohl ich genau das vorhabe. Ich sehe nur einen Weg vor mir, um diesem traurigen Durcheinander ein Ende zu setzen, und den werd’ ich auch beschreiten. Kennen Sie noch das alte Sprichwort: »Der Junge am anderen Flußufer hat einen Po wie ein Pfirsich, aber ich kann nicht schwimmen«? Aber er kann dafür schwimmen, das ist auch so etwas, was alle Jungen können.
(ergreift Süßigkeitenschachtel und Koffer)
»Anmutig schreitet täglich neu / Er über Felder voller Lieder, / Und was da glänzt im gold’nen Heu, / Fließt von der Grazie seiner Glieder.«
     
    DOMINIC
ab. Blackout. Bühnen- und Saallicht gehen an, als
BROOKSHAW
auftritt, in Talar und steifem Kragen, seine Pfeife paffend. In der Hand hat er einen Luftpostbrief. Er bedeutet der Klasse, sich zu setzen, räuspert sich und schreitet zu Beginn seiner Ansprache hin und her.
     
    BROOKSHAW Setzt euch, Jungs. Folgendes. Wie ihr wißt, pflege ich die Klasse, die uns am Ende des Sommerhalbjahrs verläßt, immer mit einer Ansprache zu verabschieden, die sich üblicherweise um Religion, Sex und dasLeben an der Public School dreht. Auch heute werde ich mich diesem Thema widmen … Potter, egal was es ist, schluck’s runter! … jedoch in Form eines anderen Mediums. Wie euch allen bewußt ist, haben wir ein ungewöhnliches Schuljahr hinter uns. Zwei Tode, die des Direktors und des jungen Hoskins, haben uns schmerzhaft daran erinnert, daß Gott unser Vater jederzeit jeden von uns rufen kann, ob jung, ob alt, um zu ihm und seinen himmlischen Heerscharen versammelt zu werden. Ich habe in den

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