Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
längst bekanntem Inhalt zu schreiben, dann macht mich meine Treue zum World Service ebenso eindeutig zum frühreifen Greis wie das Tragen eines Monokels, der Beitritt zu den Travellers und die Behauptung, noch nie etwas von Mick Jagger gehört zu haben. Diese F atzkes O rdinieren T rends Z u E wigen N aturgesetzen (da kann man bestimmt ’ne prima Abkürzung draus machen) und irren sich natürlich, weder der World Service noch seine Zuhörer sind im mindesten verkalkt. Für jemanden, der nur selten reinhört, klingen die Nachrichtensprecher und Ansager zwar tatsächlich, als säßen sie im Smoking am Mikro, aber das ist weniger ein Zeichen für Wesen und Stil des Service als eins der Notwendigkeit, auf unzuverlässigen Frequenzen und für Hörer, deren Muttersprache nicht Englisch ist, langsam und deutlich zu sprechen. Der World Service ist viel mehr als bloß das putzige Überbleibsel einer verlorenen Welt, als das diese W ichtigtuerischen I ntelligenzler, die C hronisch H albverstandenes zur S ozio politischen E ntwicklung R adebrechen, ihn so gern darstellen.
Und was ist er dann, dieser World Service?
Nun, er ist das wichtigste englischsprachige Produkt des BBC-Außendienstes, der wöchentlich Tausende von Programmstunden in Dutzenden von Sprachen rund um den Globus sendet.
Mann, das muß doch tierisch was kosten.
Bekanntlich wird der Außendienst nicht aus den Rundfunkgebühren, sondern vom Auswärtigen Amt finanziert.
Meine Fresse!
Ganz recht. Der englischsprachige World Service sorgt für ununterbrochenen Sendefluß, ungefähr so wie unser Radio 4, und dieses Programm, nur eines von vielen, meinen wir, wenn wir vom BBC World Service sprechen.
Na, ich danke schön.
Nichts zu danken, kann ich sonst noch was für Sie tun?
Glaube nicht.
Gut, dann werde ich –
Ach doch: Dann werden von diesem BBC World Service also nur Wortbeiträge gesendet?
Ganz und gar nicht. Edward Greenfield stellt neue Klassikplatten vor, Paul Burnett moderiert eine wöchentliche Hitparade, Bob Holness aus der Kultserie
Blockbusters
leitet unter dem Titel
Anything Goes
Hörerwunschkonzerte, Richard Baker moderiert einmal pro Woche sein
Half-Dozen
, und dann gibt es noch eine ganze Reihe von Kleinbeiträgen zu Oper, Musical, Ballett und Chormusik. Außerdem gibt es regelmäßig Sendungen zu Country- und Folkmusik, Tom Robinson kümmert sich um eine Sendung für neue Musik –
Ja, ja, ich hab’s kapiert. Geschenkt! Den Rest werde ich auch noch in der ›Radio Times‹ finden.
Ja nun, eben da irren Sie sich, mein schöner junger Freund. Es ist eine merkwürdige Verschwörung im Gange, die vor nichts zurückschreckt, das Herausfinden des Programms so schwierig wie möglich zu gestalten. Für einen im Lande ansässigen Briten war es bis vor kurzem nahezu ausgeschlossen, eine Ausgabe von ›London Calling‹ in die Finger zu kriegen, der Programmzeitschrift des World Service. Der Dienst war für die Welt da, nicht für die Heimat. Wenn man es geschafft hatte, die Frequenz überhaupt reinzukriegen, hatte man Glück gehabt, vorgesehen war es nicht, und es ist immer noch schwer, im Westen oder Norden von London, also stromaufwärts der Radiowellen, die in Richtung Kontinent fließen, guten Empfang zu bekommen.
Wahrscheinlich malt er ein ziemlich rosiges Bild Britanniens, wenn er von der Regierung finanziert wird?
Ich habe im Laufe der Jahre alles mögliche versucht, um eine Spur offener oder verdeckter probritischer oder antikommunistischer Propaganda, Tendenz oder auch nur Färbung inden Sendungen des World Service zu entdecken, aber es ist mir nicht gelungen. Er scheint wirklich so leidenschaftslos und desinteressiert zu sein, wie es nur geht. Das düsterste Porträt des Landes, das mir – sieht man mal von
Duty Free
ab – je zu Ohren gekommen ist, war, glaube ich, vor kurzem eine Sendung des World Service über das mittlerweile sprichwörtliche Nord-Süd-Gefälle. Bittere Interviews mit Schulkindern aus Sunderland und Politikern aus dem Südosten, in denen kein Blatt vor den Mund genommen wurde. Weiß der Himmel, welches Englandbild der mürrische Exilant in Indien, der kanadische Geschäftsmann, der indische Bauer, der kolumbianische Kokablatt-Exporteur oder der australische Firmenausschlachter bekommt: ein der Wahrheit entsprechendes, nehme ich an. Die einzige Sendung, die man annähernd des Patriotismus bezichtigen könnte, ist eine komische kleine Reihe namens
New Ideas
, die anscheinend darauf abzielt, mit neuen britischen
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