Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
nicht unbeträchtliches Maß Verantwortung, indem er die von Labour-Stadträten und dem Greater London Council für – etwas unglücklich so genannte – »Lesbische Theaterkooperativen« und dergleichen bereitgestellten, verschwindend geringen Summen bis zum Abwinken aufgeblasen hat. Dieser ›Standard‹ also war eifrig bemüht, den Abend zu ignorieren, und schaffte es, am darauffolgenden Tag statt dessen von einem durchgeklinkten Tory zu berichten, der allen Ernstes der Meinung war, der Paragraph müsse »verschärft« werden. Die Show hatte es ausdrücklich darauf abgesehen, Homosexualität im – zweifelhaften – Sinne der Gesetzesvorlage zu »befördern«, indem ausschließlich Werke schwuler Schriftsteller, Dramatiker und Komponisten aufgeführt wurden. Erwartbare Namen wie Auden, Shakespeare, Wilde, Tschaikowsky, Orton, Britten und Marlowe sowie für manchen eher überraschende wie Edward Lear, Saint-Saëns, Noël Coward und A. E. Housman lieferten das Material. Unter den Darstellern fanden sich zahlreiche »Hetero«-Künstler und Musiker, Damen wie Judi Dench, Joan Plowright und Peggy Ashcroft und Namen wie Tom Stoppard, Simon Rattle und Paul Eddington, deren Teilnahme an solchen Veranstaltungen Angehörigen der rasenden Rechten gehörig Schaum vor den Mund treibt. Dieser nette Mensch aus
Yes, Minister
kann doch unmöglich für nukleare Abrüstung oder sexuelle Toleranz sein?! Von dieser Art Verdruß ist es nicht weit zum Gejammer von der Sorte »Warum sind bloß alle klugen Köpfelinks?« oder Aussagen wie »Schauspieler sollten bei ihren Leisten bleiben«. Das aus den Mäulern analphabetischer Yahoos und sabbernder, dem Suff ergebener Revolverfressen, die kaum imstande sind, ein Blatt in ihre Schreibmaschinen einzuspannen, geschweige denn, ihren Mitbürgern auch nur eine Sekunde lang charmant, human und freundlich gegenüberzutreten, sich aber trotzdem einbilden, täglich eimerweise die Gülle absondern zu dürfen, die ihnen durch das beschränkte Oberstübchen schwappt, das ist denn doch ein bißchen arg.
Bei der zweiten Veranstaltung, an der ich beteiligt war, handelte es sich insgesamt um eine weitaus lauter hinaustrompetete Angelegenheit. Ich meine die große Geburtstagsparty für Nelson Mandela im Wembley. Meine eigene Reaktion war zunächst die peinlicher Berührtheit, als nämlich mein Mikrophon während der ersten Minute meines »Sets«, wie wir Rock ’n’ Roller einen Auftritt nennen, nicht richtig funktionierte. Dem mag man den merkwürdigen Umstand hinzufügen, daß zwar selbst Margaret Thatcher energisch gefordert hat, Nelson Mandela freizulassen und die Apartheid abzuschaffen, dieses Ereignis aber dennoch von der Presse mehrheitlich als eine Art anarcho-stalinistische Kundgebung geschildert wurde.
Die Frage, wann P. W. Botha, dem alle Welt das Mandat abspricht, über die Völker seiner unglücklichen Republik zu herrschen, endlich zustimmt, der Gewalt und seiner Kontrolle über eine aggressive Armee und Polizei abzuschwören, scheint den Leitartikelschreibern bei eben diesem ›Standard‹ egal zu sein, bei dem anscheinend nur der Fernsehkritiker über zwei miteinander verbundene Gehirnhälften verfügt. Ein Kommentar mit der Überschrift »Die Befangene Broadcasting Corporation« scheint mir geeignet, den Geisteszustand der gesamten Redaktion in ein schlechtes Licht zu rücken.
Cromwell, Éamon de Valera, Menachem Begin, Nasser, Ortega, de Gaulle, Mugabe, Schamir, Castro, Kenyatta – das sind nur ein paar der Staatsmänner (nicht alle erster Wahl, wenn’s um anschmiegsame Bettgenossen geht), die ihre Karriere als »Terroristen« begannen, als »Männer des Bösen, mit denen wir nicht verhandeln werden«. Die Tyrannen, die sie ablösten, haben, so möchte ich streitlustig behaupten, ihre Völker ausnahmslos schlimmer unter der Knute gehalten als ihre Nachfolger, die daher heute ihrerseits ganz zu Recht als »Terroristen« angesehen werden.
Jene jedoch, die – und das sogar bei einer Feier – ihrem Glauben an den demokratischen Geist Ausdruck verleihen, werden bestenfalls als »naiv« und schlimmstenfalls als »finstere Gesellen« angeprangert. Die ›Times‹, deren einzige intellektuelle Errungenschaft neben ihrem Kreuzworträtsel und dem Parlamentsbeobachter die verblüffende Vielfalt der Methoden ist, mit denen sie die BBC verunglimpft und gleichzeitig den erbärmlichen Satellitenfunk ihres Eigentümers lobpreist, versucht sich an einer hochnäsigen Verdammung dieser
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