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Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Stickl Pizza?«
    Neben dem Bier waren zwei Kartons, einer leer, der andere
halbvoll. Ich griff mir ein Stück und biss hinein. Obwohl ich den ganzen Tag
noch nichts gegessen hatte, war ich gar nicht so hungrig. Die Pizza war kalt,
ölig und man schmeckte es, dass sie direkt neben einem Döner das Licht der Welt
erblickt hatte. Nachdem ich das Stück hinuntergewürgt hatte, beschloss ich, dass
Zeit für ein wenig Konversation war.
    »Und, dicht?«
    »Hä?«
    Sie setzte sich auf, wobei sich jede Menge nacktes Fleisch zeigte.
    »Ob du high bist, will ich wissen. Ist ein super Gras, nicht?«
    »Doch, schon. Woher?«
    »Tessin.«
    »Woissndes?«
    »Schweiz.«
    »Hätt i den Fondueschmelzern gar net zugetraut.«
    »Also sag, warum bist du zu mir gekommen, und komm mir jetzt nicht
wieder mit dem Kartenspruch.«
    Sie beugte sich vor, baute drei Jobs zusammen und begann, das
knisternde Papier zu füllen. Offenbar hatte sie bereits vorgesorgt.
    »I hab halt sonst net gwusst wohin.« Sie drehte das Papier
geschickt, besser als ich das gekonnt hätte, und leckte die Gummierung ab. Ihre
Zunge war gepierct. Dann rollte sie zusammen und drehte die Spitze zu.
    »Komm, sei ehrlich. Sag die Wahrheit.«
    »Des is die Wahrheit. Wüllst aa a Blech, wenn i schon zun
Kühlschrank geh?«
    Heute war eh schon alles egal.
    »Gut, bring mir auch eins mit.«
    Sie stand auf und schwang ihre Kurven durch die Wohnung. Ein paar
Augenblicke hielt sie mir die Dose ins Gesicht, als ich sie genommen hatte,
setzte sie sich auf die Couch. Mit untergeschlagenen Beinen, ein wenig
vorgebeugt.
    »Du kennst doch Hunderte Leute in Wien, warum bist du nicht zu
denen, oder zu deiner Familie?«
    »Durt bin i tschari gangan, deswegen kann i ja a net zur Kiberei,
sonst muaß i zruck.«
    »Zurück musst du gar nicht, über 18 ist man
erwachsen.«
    »Des dauert aber no zwa Wuchn.«
    Der Schlag saß.
    »Du bist erst 17?«
    »Eh, sicher, was hastn du glaubt?«
    »Also willst du zwei Wochen warten und dann zur Polizei gehen?«
    »Was du immer hast mit deine Kiberer. Wenn i
18 bin, kann i mir an Job suchn und a Wohnung derzahln. So einfach is des. Wenn
i ma jetz a Hockn suach, bringen’s mi zrück ham.«
    Inzwischen hatte sie einen ersten Schluck aus ihrer Dose genommen
und sich den Joint zwischen die Lippen gesteckt.
    »Ganz glaub ich dir noch immer nicht. Wenn du den Berti sitzen
hast lassen, weil er dich misshandelt hat, warum hast du dann nichts
mitgenommen? Kein Gewand, kein Geld, gar nichts? Du bist doch nicht blöd.«
    »I hab einfach net dran gedacht.«
    »Hör auf mit dem Blödsinn. Das hat einen ganz anderen Grund, dass
du abgehauen und zu mir gekommen bist. Also sag mir, was ist los?«
    Sie gab sich selbst Feuer und nahm einen langen Zug. Sie hielt die
Luft an und atmete ganz sachte aus. Dann reichte sie mir den Joint und nippte
an ihrer Dose. Gleich darauf heizte sie sich eine Marlboro an.
    »I sag do, i hab net denkt.«
    »Wenn du irgendein Mädchen wärst, das noch mit Barbiepuppen spielt
und von der großen Liebe mit Hochzeit in Weiß träumt, würd ich dir das
vielleicht abkaufen. Aber du bist 17, von daheim abgehauen und sicher schon
seit Jahren selbstständig. Dann willst du mir erzählen, du verlässt den Berti,
der Kohle hat wie Heu, bei dem das Koks auf dem Tisch liegt und das Bier
kartonweise im Kühlschrank steht, ohne irgendetwas mitzunehmen? Keine Wäsche,
kein Geld, keinen Schnee, nicht einmal genug Geld für Zigaretten? Das glaubst
du doch selber nicht.«
    Ich nahm einen tiefen Zug und wartete auf ihre Antwort. Sie fuhr
sich mit der Hand durch die schmutzigblonden Haare, ballte sie im Nacken zu
einem Pferdeschwanz und ließ sie wieder fallen. Als sie mich anschaute, war aus
der erwachsenen Frau wieder ein kleines Mädchen geworden. »Ja, du hast ja
recht. Aber versprich mir, dass ich dableiben darf, und dass du mir hilfst.«
    »Ein Versprechen ist auch nur ein Wort.«
    »Komm schon, du bist ehrlich.«
    »Gut, du darfst bleiben.«
    »Der Berti ist nämlich tot.« Daraufhin begann sie zu schluchzen.
    Ich legte meinen Arm um sie und versuchte sie mit ein paar Worten
zu trösten. Sie legte den Kopf an meine Schulter und weinte sich aus. Als sie
sich soweit beruhigt hatte, begann ich, ihr sanft ein paar Fragen zu stellen.
    Sie war vom Einkaufen nach Hause gekommen
und hatte die Wohnungstür offen vorgefunden. Daraufhin hatte sie die
Einkaufstasche abgestellt und war vorsichtig in die Wohnung geschlichen.

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