Papierkrieg
außen das Fenster anzusehen, verwarf es aber wieder. Meyerhöffer war blasiert,
aber kein Trottel. Wenn er eine Stahltür mit Sicherheitsschloss hatte, war das
Fenster auch nicht ungeschützt. Und das Letzte, was ich brauchen konnte, war
ein stummer Alarm und womöglich Polizei im Haus.
Ich machte kehrt und stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock.
Ich folgte Ivankas Beschreibung und stand bald vor der hintersten, linken Tür.
Ich klopfte, wartete einen Augenblick und trat ein.
Die junge Meyerhöfferin saß auf einer Couch
und las eine Illustrierte. Sie trug einen zweiteiligen Seidenpyjama in
blaugrün. Ihre Füße waren nackt und die Zehennägel tiefrot bemalt. In der
Rechten hielt sie eine lange Zigarette, in der Linken die Illustrierte. Der
Aschenbecher stand neben ihr. Ihr Haar, das sie unter einem dünnen Handtuch
zusammengebunden trug, war nass. Sie war ungeschminkt und sah mich erschreckt
an. Ihre Hand fuhr zum Handy, sie klappte es auf und das Hochglanzmagazin fiel
zu Boden. Ich blieb in der Tür stehen, hob beschwichtigend die Hand und stellte
mich langsam sprechend vor. Die Kleine beruhigte sich ein wenig, atmete aber
immer noch tief und ihre Augen zuckten hin und her.
»Na und, was wollen Sie?«, erwiderte sie auf meine Vorstellung.
Ihre Stimme war nasal und unangenehm, ihr Tonfall so blasiert, wie es nur die
Oberen Zehntausend in Wien zustande bringen, ihre ganze Sprache strotzte nur so
vor Stolz und Verachtung.
»Sie werden sich nicht mehr erinnern, aber ich habe Sie letzten
Dienstag nach Hause gefahren.«
»Und jetzt wollen Sie eine Belohnung. Bleiben Sie stehen oder ich
rufe die Polizei.«
»Nur ruhig Blut. Ich werde Ihnen nichts tun, ich will Ihnen nur
helfen.«
»Wobei sollten Sie mir helfen können? Und jetzt verschwinden Sie.«
»Sie sind da in eine schlimme Sache hineingeschlittert und Ihr
Vater bezahlt mich, dass ich Ihnen helfe.«
»Davon weiß ich nichts und es ist mir auch egal.« Ihr Panzer
bröckelte schon ein wenig.
»Ich habe Sie in einer Wohnung mit einer Leiche gefunden. Sie
hatten die Mordwaffe in Ihrem Gucci-Täschchen.«
»Es ist von D&G.« Sie sprach die Abkürzung englisch aus, wie
sie darauf kam, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. »Sie Kretin.«
»Mordwaffe bleibt Mordwaffe.« Pause. »Vor allem, wenn Ihre
Fingerabdrücke drauf waren.«
»Sie lügen. Sie wollen mich nur erpressen«, fauchte sie mich an.
»Ich werde jetzt die Polizei rufen.«
»Machen Sie keinen Unsinn.«
Sie wendete den Blick von mir ab und begann mit dem Daumen zu
wählen. Mit zwei Schritten war ich bei ihr, meine Finger schlossen sich um ihr
rechtes Handgelenk, noch bevor sie die zweite Zahl gewählt hatte. Ich drückte
zu. Mit der Linken umfing ich ihre Taille und fixierte sie. Sorgsam vermied ich
es, dass sie einen Tritt in sensible Regionen anbringen konnte. Alles ging gut
und da ich doch um einiges stärker war, ließ sie nach ein paar Sekunden das
Telefon aus tauben Fingern zu Boden fallen. Sie starrte mich wutentbrannt an,
die Zähne aufeinandergepresst. Ihre Zigarette hielt sie noch immer in der Hand.
Der Tabakgeruch vermischte sich mit den Duftnoten ihrer Badeseife und bildete
einen reizvollen Kontrast. Überhaupt fühlte sie sich gar nicht schlecht an. Ich
ließ ihre Hand los, hob das Handy auf, trat einen Schritt zurück und hielt es
ihr hin.
»Ich will Ihnen nur helfen, Sie brauchen sich keine Sorgen zu
machen.« Sie starrte mich noch immer hasserfüllt an, ihre Mundwinkel zuckten.
Elegant hob sie die Rechte, und drückte mir die glühende Spitze ihrer Zigarette
auf den Rücken der Hand, in der ich ihr das Telefon hinhielt. Sie keuchte
erregt und lächelte. Tabak verglüht bei über 1.000 Grad, Gott sei Dank rauchte
sie Eve, die so dünn sind, dass die Glut gleich erlosch. Ich hatte trotzdem ein
nettes Loch im Handrücken. Ich konnte zwar nicht ganz durchsehen, aber es
schien nicht mehr viel zu fehlen. Vor Schmerz hatte ich das Telefon fallen
gelassen, sie lächelte noch immer.
»Ich scheiße auf Sie und Ihre Hilfe«, stieß sie hervor. Ihre Augen
waren weit aufgerissen und glänzten feucht. Das Ganze hatte ihr einen schönen
Kick gegeben.
Bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt, ein schöner Satz.
Ich schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Nicht fest, aber sie fiel nach
hinten auf die Couch. Einen Augenblick starrte sie mich entgeistert an, dann
begannen ihre Tränen zu fließen. Sie wirkte nun nicht mehr wie
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