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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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Furcht, Herr Hofrat, ich bin nicht irrsinnig.
Wenn Ihnen schon mein Name und meine Stellung
nicht dafür bürgen, so rufen Sie bitte Herrn Universitätsprofessor
Möller herein, der draußen wartet, damit
er Ihnen die Wahrheit meiner Erzählung bestätige.«
    Wir setzten ihm auseinander, welche Schwierigkeiten
zu gewärtigen seien, denn es handle sich um ein geflügeltes
Wesen, das über unbekannte hypnotische und
telepathische Kräfte zu verfügen scheine. Er versank in
dumpfes Sinnen. Plötzlich, wie eine Offenbarung, verklärte
ein Sonnenstrahl freudiger Erleuchtung die hoffnungslose
Öde dieses Gesichtes: »Meine Herren, michgeht die ganze Geschichte nichts an. Die Staatsanwaltschaft
ist da nicht zuständig. Sie hat nur einzuschreiten
bei Verdacht einer strafbaren Handlung. Strafbare
Handlungen können aber nur von Menschen begangen
werden. Wenn der Fuchs einem Bauern ein Hendl
stiehlt, wenn der Wolf einen Menschen anfällt, so hat
die Staatsanwaltschaft damit nichts zu tun. In die Prüfung
der Frage, ob jemand ein Schmetterling ist oder
ein Mensch, in solche zoologische Untersuchungen hat
sich die Anklagebehörde nicht einzulassen. Bitte wenden
Sie sich an die Unterrichtsverwaltung.«
    Den weiteren Instanzenzug dieser Justizgroteske will
ich nicht schildern. Ich setzte schließlich durch, daß
man mir zehn Gendarmen zur Verfügung stellte.

    V orerst wurde Ordnung mit
den Schmetterlingsanbeterinnen gemacht: Man nahm
sie in Gewahrsam und übergab sie ihren Angehörigen.
Einige, darunter die Enkelin des Professors, wurden
in Heilanstalten untergebracht.
    Des Falters habhaft zu werden schien unmöglich.
Die Schußverletzung, die ihm Professor Möller zugefügt
hatte, war offenbar geheilt, denn seine Flugkraft
blieb ungeschmälert. Unglaublich war seine Schlauheit
und Geschicklichkeit; auch schien er ein Witterungsvermögen
zu besitzen, dessen Schärfe über menschliche
Begriffe ging. Schon über eine Woche dauerte die
aufregende Jagd.
    »Ich wundere mich«, sagte Professor Möller, »wie
groß seine Anhänglichkeit an diese Gegend ist; daß erweiter hierbleibt trotz aller Verfolgung. Und ich
fürchte immer wieder, daß er davonfliegt, in ein anderes
Land, wo ihm weniger Gefahr droht und die Nahrungssuche
leichter wird. Bei seiner ungeheuern Flugkraft
bietet ihm die Entfernung kein Hindernis.
    Man hat festgestellt, daß die Fluggeschwindigkeit
mancher Schwärmerarten unter den Schmetterlingen
nicht weniger als vierundfünfzig Kilometer in der
Stunde ist, also schlechterdings unermeßlich im Verhältnis
zur Kleinheit dieser Tiere. Nun erinnert der
Habitus seiner Flügel an gewisse schnellfliegende
Schwärmer, die man in fossilem Gestein aus der Jurazeit
petrifiziert gefunden hat.
    Allerdings wächst die Schnelligkeit nicht proportional
der Körpergröße — sonst wäre ja die seine fast tausend
Stundenkilometer. Aber trotzdem schätze ich sie
auf dreihundert Kilometer in der Stunde, also schneller
als das schnellste Flugzeug.«
    Wenn sich der Riesenfalter endlich zeigte, so trieb er
stundenlang, oft die ganze Nacht sein boshaftes Spiel
mit uns. Bis er sich plötzlich in die Luft schwang und
in der Dunkelheit verschwand. Er schien sehr wohl zu
wissen, daß der Wald für ihn das günstigste Terrain
war. Denn wenn die Situation für ihn bedrohlich
wurde, dann flog er hinauf ins dichte Geäst der Wipfel.
Dort konnte er sich unbemerkt verbergen oder in die
freie Höhe entkommen.
    Scheinwerfer wurden herbeigeschafft. Doch auch sie
blieben nutzlos bei seiner Schnelligkeit und seiner
merkwürdigen Fähigkeit, sich der Umgebung anzugleichen.
    »Beobachten Sie doch«, sagte Professor Möller, »wie
die Farbe seiner Flügel zu jener der Bäume paßt. Entwedersilberweiß wie die Birke, graugrün wie Ahorn
oder grau mit schwarzer Sprenkelung wie Buchen; je
nachdem er die Flügel faltet. Und er lagert auch nur
auf einem dieser Bäume. Ich habe noch nie bemerkt,
daß er etwa einen dunklen Eichenstamm aufsucht.
    Sie kennen doch die biologische Erscheinung, welche
man Mimese nennt. Das ist die Anpassung gewisser
Tiere an ihre örtliche Umgebung.
    Es gibt Schmetterlinge, die sind genauso gefärbt wie
die Ringe der Bäume, auf welchen sie ruhen. Andere
sehen aus wie Vogelkot, manche wiederum wie welke
Blätter, ja, selbst im Fluge gleichen sie welken Blättern,
denn sie flattern schräg abwärts wie ein fallendes Blatt.
Durch solche Künste entgehen sie den Verfolgern.
    Nun, auch hier haben wir eine solche Mimese vor
uns. Es wäre

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