Papilio Mariposa
ungeheuer interessant, zu ergründen, ob
die Mimese des Riesenfalters ein bloßer Zufall ist oder
eine automatische Anpassung oder ein Effekt, den er
vorher berechnete und absichtlich erzielte.«
Die Bauern halfen bei dieser Jagd begierig mit. Es
war ihnen eingeschärft worden, auf den Riesenfalter
nicht zu schießen, und ein namhafter Preis war ausgesetzt
auf seine lebende Ergreifung.
Kein Novellist, kein Dramaturg vermöchte Szenen
zu ersinnen, so wild bewegt, so farbig und phantastisch:
der nächtig düstere Wald und schweigend lauernde
Jäger. Plötzlich das Rauschen des silberweißen
Riesenfalters in den dunklen Höhen und sein gespensterhaftes
Flattern von Baum zu Baum. Scheinwerfer,
deren Flammen die aufgeschreckte Wildnis in jähe
Lichtflut tauchen, riesige Schatten, welche geisterhaft
entfliehen, die wilden Rufe der Verfolger und ihre gierig
glühenden Gesichter.
A ber im Walde blieb die
Jagd vergeblich. »Wir müssen ihn«, so sagte Professor
Möller, »sozusagen zur offenen Feldschlacht zwingen.
Wir müssen ihn aus dem Walde aufscheuchen, in die
Höhe treiben und ihm den Rückzug in den Wald versperren.
Dann ihm nach auf einem Flugzeug. Er ist
zwar schneller, aber nicht so ausdauernd. So kann er
uns nicht entkommen.«
Dieser Plan wurde durchgeführt. Ein Flugzeug
wurde bereitgehalten und wartete auf der Waldlichtung,
dem Lieblingsplatz des Riesenfalters. Einige Bauern
und Gendarmen, mit Scheinwerfern und kräftigen
Taschenlampen versehen, kletterten mit Hilfe von Steigeisen
auf die Bäume und hielten sich dort verborgen.
Nun konnte die Jagd zum letztenmal beginnen.
Alles ging gut vonstatten. Man hatte ihn vom Walde
aufgescheucht, und das Luftschiff flog an. Aber ehe es
aufsteigen konnte, war er schon viele hundert Meter
hoch und verschwand im finsteren Gewölke.
Ein andermal waren die Aussichten besser, denn der
Himmel war klar. Alles verlief wunschgemäß. Der aufgescheuchte
Falter entflog aus dem Walde und das
Flugzeug ihm nach. Er hatte einen so großen Vorsprung,
daß es kaum möglich schien, ihn zu erreichen.
Aber er nützte ihn nicht aus, ja, er verminderte wie absichtlich
seine Geschwindigkeit.
Plötzlich kehrte er, mitten im Fluge um und schoß
gerade auf das Flugzeug los. Es war ein grauenvoller
Augenblick, denn ein Zusammenstoß schien unvermeidlich.
Aber in der letzten Sekunde hielt er inne,
blieb hart vor dem Luftschiff, rückwärts schwebend,
und starrte dem Piloten ins Gesicht.
»Sehen Sie seine Augen?« fragte ich mit heiserer
Stimme den Professor. »Sagen Sie, woher diese ungeheuern
Augen?«
»Woher, da fragen Sie mich zuviel. Ich glaube, in
seinen Augen ist die Schmetterlingsnatur zum Durchbruch
gekommen. Die Augen der Schmetterlinge
bestehen aus einer ganzen Anzahl von kleinen Äuglein,
Ommatidien. So auch die seinigen. Ermessen Sie
nun die Weite und die umfassende Kraft seines Blickes.
Aber auch noch viel Menschenhaftes liegt in seinem
Auge. Ich meine die Fähigkeit der Willensübertragung.
Daher . . .«
Er stockte; denn mit einem Male begann das Flugzeug
arg zu schwanken und senkte sich. Es wäre sicherlich
gestürzt, hätte sich nicht ein Gendarm, ein geschulter
Flieger, noch im letzten Augenblick des Steuers
bemächtigt.
Der Pilot lag in tiefer Ohnmacht, augenscheinlich
hypnotisiert, und in der entstandenen Verwirrung war
der Falter längst entkommen.
M it unserer Geduld und
Nervenkraft war es zu Ende. Das Kommando erteilte
seiner Mannschaft den Befehl, noch einen letzten Versuch
mit Hilfe des Flugzeuges zu machen oder, wenn
auch der mißlinge, den Falter mit der Feuerwaffe zu
vertilgen.
Die Nacht der Entscheidung kam heran. Fieberhaft
gespannt saßen, wir im Flugzeug, außer dem PilotenProfessor Möller, der Gendarmerieoffizier und ich.
Wir hatten einen Scheinwerfer bei uns. Nicht nur um
den Falter in der Dunkelheit zu sichten, sondern, um
seinen lähmenden Blick zu blenden und uns so gegen
Hypnotisierung zu schützen.
Erst nach Mitternacht zeigte sich der Schmetterling.
Sogleich begann die Treibjagd, und nach zwei Stunden
war er so eng umstellt, daß er auffliegen mußte. Zu
gleicher Zeit startete das Flugzeug.
Das Wetter war windstill und klar, so daß wir ihm
ungehindert folgen konnten. Er schien ermüdet durch
die vorangegangene Verfolgung, denn er entfaltete bei
weitem nicht seine volle Flugkraft. Immerhin betrug
sein Vorsprung noch viele Kilometer. Aber mit Hilfe
des Scheinwerfers und unserer scharfen Gläser verloren
wir ihn nicht einen Augenblick aus dem
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