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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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Gesichtsfeld.
Ging er hoch, so folgten wir ihm in die Höhe;
senkte er sich, so tat’s das Flugzeug auch.
    Sonderbarerweise unternahm er nur ein einziges
Mal den Versuch, sich in der Tiefe, in einem Walde, zu
verbergen, und auch dies an einer ungünstigen Stelle.
Dann gab er’s auf, flog weiter. Nicht hastig, eher sorglos
gemächlich, indes wir die rasende Maschine zur
Höchstgeschwindigkeit entfachten.
    Rechnete er auf einen Dauerflug, bei dem uns
schließlich der Betriebsstoff ausging? War er ermattet,
oder war’s für ihn ein Spiel? Wußte er nicht, daß es
eine Verfolgung war auf Leben und Tod? Für ihn
schien es ein Wettlauf, bei dem er neckend seine
Kräfte zeigte. Wollte er uns seine Unerreichbarkeit
recht deutlich zeigen?
    Schon währte die Verfolgung in den Lüften vier
volle Stunden. Die Karawanken waren überflogen, unteruns lag der Karst, und in der Ferne leuchtete das
Meer.
    Großartig war die Landschaft in ihrer Mannigfaltigkeit
und Fülle, fern und doch plastisch klar, ruhevoll
und doch durchzittert von einem ungeheuern, nimmermüden
Atem. Und darüber wölbte sich ein strahlend
heitrer Himmel.
    Ein Frühlingsmorgen! Ach, welche Lust zu leben,
wäre nicht diese furchtbare Verfolgung!
    Sein Vorsprung minderte sich zusehends, er betrug
nur mehr etwa sechs Kilometer.
    Nun lag zu unsern Füßen das Meer.
    »Wir haben Betriebsstoff für anderthalb Stunden«,
sagte der Gendarmerieoffizier. »Bis dahin müssen wir
ihn haben. Wenn uns das Benzin ausgeht und wir niedergehen
müssen, gebe ich Feuer.« Und er legte den
Karabiner schußfertig neben sich.
    »Das werden Sie gefälligst bleibenlassen«, fuhr ich
auf, »Sie befinden sich hier außerhalb österreichischen
Hoheitsgebietes.«
    Der Professor fiel beschwichtigend ein: »Dazu wird
es schon deshalb nicht kommen müssen, weil er in
einer halben Stunde mit seiner Kraft zu Ende ist.«
    Er sprach es mit gepreßter Stimme, und um seine
Augen zu verbergen, blickte er durchs Fernglas, das in
seinen Händen merklich zitterte.
    Er reichte mir den Trieder. »Betrachten Sie doch
seine Fühler. Sie sind prachtvoll, schöner als ein Reiherbusch.
Keulenförmig verdickt sind sie und gefiedert.
Antennae clavatae et plumatae nennt die Wissenschaft
jene Art von Fühlern.
    Haben Sie bemerkt, wo diese Fühler in seinem
Haupte wurzeln? An der Stelle, wohin die Wissenschaftden Sitz des dritten Auges, des Zyklopenauges,
verlegt. Diese Fühler sind sicherlich die Träger seiner
telepathischen Fähigkeiten, seiner fernwirkenden
Sinne. Ach, wer das erforschen könnte!«
    Plötzlich kehrte der Riesenfalter in seinem Fluge um
und näherte sich unserem Aeroplan. Ganz nahe, bis
auf etwa zwanzig Schritte. Aber wir ließen den Scheinwerfer
spielen und trafen ihn mit voller Wucht des
Strahles. Er wendete geblendet seinen Flug.
    Diesmal konnte ich sein Antlitz deutlich sehen. Bildhaft
ebenmäßig waren seine Züge, und doch waren sie
nicht menschlich und darum gräßlich. Es war die grauenvolle
Schönheit eines Medusenhauptes.
    Hoch über dem grenzenlosen Meere jagten wir nun
dahin. Stumm, entschlossen und verzweifelt.
    Mit einem Male wurde der Flug des Riesenfalters
unstet, taumelnd und langsam glitt er nieder zu den
Fluten. Wir folgten ihm und sahen schaudernd, daß
aus den Wogenkämmen spitze Flossen ragten, Haifischflossen.
    Nun wendete sich Mariposa noch einmal um mit
mattem Flügelschlage und sah mich an mit einem langen
Blicke, mit einem Blick des Abschieds. Schweigend
faßte der Professor meine Hand, aus seinen Augen
stürzten Tränen.
    Und dann, ehe wir ihn retten konnten, sank er unter.
    Die spitzen Flossen schießen auf ihn los, und es öffnet
sich ein gierig zahnbewehrter Rachen.
    Noch einmal strebt er aufwärts mit rauschendem,
machtvollem Flügelschlage, und seine taubenetzten
Schwingen gleißen verführerisch im Lichte. Doch seine
Flugkraft ist erlahmt, er vermag nicht zu entrinnen.
    Und nun ein letzter Kampf der Tiefe mit den Lüften,des Untiers mit dem Fabelwesen. Ein kurzes, heißes
Ringen, ein Wirbel in den aufgepeitschten Fluten.
    Es glätten sich die Wogen, es wird still . . .
    Still ist es. Irgendwo tief unten zieht ein Schiff mit
windgebauschten Segeln silberweiße Furchen, und im
Schein der mittäglichen Sonne leuchtet ferner Küstensaum.
     
    Ich habe ihn geliebt, Papilio Mariposa, den mißgestalten,
verlachten Juden, dessen Seele — wie die Raupe
nach dem Falter — nach Liebe dürstete und Schönheit;
den großen Forscher, der in vermessenem

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