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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Schwamm und einen französisch geschriebenen Zettel. Ich zünde sofort zwei Zigaretten an und werfe sie den beiden gegenüber zu. Dann rufe ich meinen Nachbarn, der den Arm ausstreckt und die Zigaretten an die übrigen Gefangenen weitergibt.
    Nach der Verteilung zünde ich eine für mich an und versuche bei dem Licht, das vom Gang hereinfällt, den Zettel zu lesen. Es gelingt mir nicht. Da rolle ich das Papier, in das die Sachen verpackt waren, fein zusammen, und nach einigen Versuchen, es mit dem Zündschwamm in Brand zu stecken, gelingt mir das auch. Ich lese schnell: »Mut, Papillon, zähle auf uns! Gib acht, morgen wird man Dir Papier und Bleistift schicken, damit Du uns schreiben kannst. Wir halten zu Dir bis in den Tod.«
    Mir wird warm ums Herz. Diese wenigen Worte, wie erquickend sind sie für mich! Ich bin nicht allein und kann auf meine Freunde zählen!
    Niemand redet, alle rauchen. Seit der Verteilung weiß ich, daß wir neunzehn sind in den Todeszellen.
    Schön, ich bin also wieder auf dem Weg in die Hölle, und diesmal bis zum Hals! Die kleinen hilfreichen Bräute des lieben Gottes waren Teufelsbräute. Doch ist es bestimmt weder die Irländerin noch die Spanierin gewesen, die mich angezeigt hat. Welche Dummheit von mir, diesen Nonnen zu trauen! Aber sie waren es nicht. Nein. Der Kutscher vielleicht? Zwei- oder dreimal haben wir die Unvorsichtigkeit begangen, französisch zu reden. Sollte er es verstanden haben? Doch ob es die Nonnen waren, der Kutscher oder die Mutter Oberin, es kommt auf eins heraus. Diesmal sitzt du drin, Papi, und zwar gründlich.
    Ich bin verloren. In dieser widerlichen Zelle, die anscheinend zweimal täglich überschwemmt wird, bin ich verloren. Es ist so stickig, daß ich mir zuerst das Hemd ausziehe, dann die Hose. Auch die Schuhe ziehe ich aus und hänge alles ans Gitter.
    Und um hier zu landen, habe ich zweitausendfünfhundert Kilometer zurückgelegt! Wahrhaftig ein köstliches Ergebnis. Du lieber Gott!… Du, der
du so
großmütig gegen mich warst, hast du mich eigentlich verlassen?
    Vielleicht bist du böse auf mich, weil du mir ja im Grunde die Freiheit geschenkt hattest, die allersicherste, allerschönste! Du hattest mir eine Gemeinschaft geschenkt, die mich restlos bei sich aufnahm! Du hast mir nicht eine, sondern zwei bewundernswerte Frauen geschenkt. Und die Sonne, das Meer! Und eine Hütte, deren unumstrittenes Oberhaupt ich war. Ein Leben in der Natur, eine primitive Existenz, aber wie süß, wie ruhevoll! Ein einmaliges Geschenk hattest du mir da gemacht! Freiheit, ohne Polizei, ohne Behörden, ohne Neid, ohne Bosheit! Und ich habe ihren Wert nicht zu schätzen gewußt. Das blaue Meer, das manchmal grün sein konnte oder beinahe schwarz. Die Sonnenauf- und -Untergänge, die von einer so friedlichen Heiterkeit erfüllt waren. Und das Leben ohne Geld, bei dem einem nichts abging! Und alles das habe ich mit Füßen getreten, verachtet, verlassen. Verlassen für eine Rückkehr – wohin? In eine Gesellschaft, die nichts für mich übrig hat, zu Wesen, die sich nicht die geringste Mühe geben, das Gute in mir zu entdecken. In eine Welt, die mich von sich stößt, mich jeder Hoffnung beraubt. In Gemeinschaften, die nur an eines denken: mich mit jedem nur denkbaren Mittel zu vernichten. Wenn sie von meiner neuerlichen Gefangennahme hören werden, wie werden sie sich freuen, die zwölf Käsegesichter von Geschworenen, der verderbte Polein, die Polizeispitzel und der Staatsanwalt! Denn bestimmt wird sich ein Journalist finden, der die Nachricht nach Frankreich weitergeben wird.
    Und die Meinen? Sie,
die,
seit sie von der Gendarmerie die Nachricht von meiner Flucht erhielten, wahrscheinlich glücklich waren, daß ihr Sohn, ihr Bruder seinen Henkern entronnen ist, nun werden sie ein zweites Mal leiden müssen, wenn sie erfahren, daß ich wieder verhaftet wurde.
    Ich habe unrecht getan, meinen Stamm zu verleugnen. Ja, ich darf sagen: »meinen Stamm«. Denn die hatten mich alle wie einen der Ihren angenommen. Ich habe unrecht getan und verdiene, was mir jetzt geschieht.
    Und doch … ich bin ja nicht entsprungen, um das Volk der Indianer von Südamerika zu vermehren. Guter Gott, du mußt verstehen, daß ich wieder in einer normalen Zivilisation leben muß, um zu beweisen, daß ich keine Gefahr für sie bin. Das ist meine wahre Bestimmung – mit deiner Hilfe oder ohne sie.
    Es
muß
mir gelingen, zu beweisen, daß ich ein normales Geschöpf bin und sein werde, wenn nicht sogar

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