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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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ist es viel leichter.
    »Ich überlasse Ihnen den Beutel mit den Perlen. Sie sind mein ganzes Vermögen. Ich weiß, daß er in guten Händen ist.«
    »Einverstanden. Aber Sie brauchen sich nicht in Ihr Zimmer einzuschließen. Sie können morgens und nachmittags, während meine Mädchen in der Kapelle sind, in den Garten hinuntergehen. Ihre Mahlzeiten nehmen Sie mit dem Personal in der Küche ein.«
    Etwas beruhigt verlasse ich die Mutter Oberin. In dem Augenblick, da ich in mein Zimmer zurückkehren will, holt mich die irländische Schwester in die Küche hinunter. Eine große Tasse Milchkaffee ist für mich vorbereitet, dazu schwarzes, ganz frisches Brot und Butter. Die Schwester leistet mir beim Frühstück Gesellschaft, ohne ein Wort zu reden und ohne sich zu setzen. Mit bekümmerter Miene steht sie bei mir.
    »Danke für alles, was Sie für mich getan haben, Schwester«, sage ich.
    »Ich würde gern mehr tun, aber ich kann nicht, Freund Henri.« Damit verläßt sie die Küche.
    Ich sitze am Fenster und sehe mir die Stadt an, den Hafen, das Meer. Das Land rundherum ist gut bestellt.
    Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, in Gefahr zu sein, und in diesem Augenblick beschließe ich, in der nächsten Nacht zu fliehen. Schade um die Perlen, die die Mutter Oberin jetzt für sich selbst oder für das Kloster behalten wird. Sie hat kein Vertrauen zu mir, darüber darf ich mich nicht täuschen. Und wieso spricht sie nicht Französisch? Als Katalonierin und Oberin eines Klosters? Sie ist doch eine gebildete Frau. Da stimmt etwas nicht, und ich beschließe, noch am selben Abend zu verschwinden. Am Nachmittag werde ich in den Hof hinuntergehen und mir eine Stelle suchen, wo ich über die Mauer klettern kann.
    Gegen ein Uhr klopft es an meiner Tür.
    »Wollen Sie zum Essen kommen, Henri?«
    »Ja, danke, ich komme.«
    Ich sitze am Küchentisch und habe mir eben etwas Fleisch auf den Teller genommen und gekochte Kartoffeln dazu, als sich die Tür öffnet und vier Polizisten in weißer Uniform, mit Gewehren bewaffnet, eintreten. Dazu ein Betreßter mit einem Revolver in der Hand.
    »No te mueve, o te mato! – Rühr dich nicht, oder ich schieß dich nieder!«
    Er legt mir Handschellen an. Die irländische Schwester stößt einen Schrei aus und fällt in Ohnmacht. Zwei Küchenschwestern helfen ihr wieder auf die Beine.
    »Vamos«, sagt der Chef, »gehen wir.« Und geht mit mir auf mein Zimmer. Sie durchsuchen mein Bündel und finden augenblicklich die sechsunddreißig Goldstücke zu hundert Pesos, die mir verblieben sind. Das Etui mit den beiden Pfeilen, die sie wohl für Bleistifte halten, lassen sie unberührt. Mit unverhohlener Befriedigung steckt der Chef die Goldstücke in die Tasche. Wir gehen. Im Hof erwartet uns ein Wagen.
    Die fünf Polizisten und ich pressen uns in den Kasten, und wir fahren, von einem kohlschwarzen Chauffeur in Polizeiuniform gelenkt, mit großer Geschwindigkeit ab. Ich bin niedergeschmettert und wehre mich nicht.
    Ich versuche meine Würde zu wahren. Da gibt es weder Mitleid noch Pardon. Sei ein Mann und bedenke, daß man nie die Hoffnung aufgeben darf… Alles das durchschwirrt mein Gehirn, und als ich aussteige, bin ich so fest entschlossen, wie ein Mann und nicht wie eine Memme auszusehen, daß der Beamte, der mich einvernimmt, als erstes sagt: »Der Franzose ist sehr gefaßt. Es scheint ihn nicht sonderlich aufzuregen, in unseren Händen zu sein.« Ich betrete das Amtszimmer und setze mich mit meinem Bündel nieder, ohne dazu aufgefordert worden zu sein.
    »Kannst du Spanisch?«
    »Nein.«
    »Ruf den Schuster!« Ein paar Augenblicke später erscheint ein kleiner Mann in einer blauen Schürze und mit einem Schusterhammer in der Hand.
    »Bist du der Franzose, der vor einem Jahr aus Rio Hacha entsprungen ist?«
    »Nein.«
    »Du lügst.«
    »Ich lüge nicht. Ich bin nicht der Franzose, der vor einem Jahr aus Rio Hacha entsprungen ist.«
    »Nehmt ihm die Fesseln ab. Zieh Jacke und Hemd aus.« Er nimmt eine Liste zur Hand, auf der alle meine Tätowierungen notiert sind, und kontrolliert jede einzelne nach.
    »Auch der Daumen der linken Hand fehlt«, sagt er am Schluß. »Also bist du es.«
    »Nein, ich bin es nicht, denn ich bin nicht vor einem Jahr, sondern vor sieben Monaten davon.«
    »Das ist egal.«
    »Für dich vielleicht, für mich nicht.«
    »Du bist der typische Totschläger. Ob Franzose oder Kolumbier, alle Matadores sind gleich – nicht kleinzukriegen. Ich bin nur der zweite

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