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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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ist, schreibe ich: »Danke für alles. Ich bin stark und hoffe, es dank Eurer Hilfe auch in einem Jahr noch zu sein. Habt Ihr Nachrichten von Clousiot und Maturette?« Wirklich, der Feger kommt wieder und kratzt an der Tür. Schnell stecke ich das Papier durch, das sofort verschwindet. Den ganzen Tag und einen Teil der Nacht hindurch bleibe ich auf der Erde, und das wiederholt sich immer öfter, getreu meinem Versprechen. Ein Jahr noch, dann werde ich wieder auf eine der Inseln geschickt. Auf Royale oder Saint-Joseph? Ich werde mich daran berauschen, zu reden, zu rauchen und sehr rasch an die nächste Flucht zu denken.
    Ich beginne den ersten der dreihundertfünfundsechzig Tage, die mir noch bleiben, voll Vertrauen zu meinem Schicksal. Für die folgenden acht Monate sollte ich recht behalten. Aber im neunten kommt es zu einer bösen Wendung. Eines Morgens wurde der Überbringer der Kokosnuß genau in dem Moment erwischt, als er den Eimer zurückschob, in den er bereits die Kokosnuß und die fünf Zigaretten gelegt hatte.
    Dieser Vorfall war ein so schwerer Verstoß, daß sie minutenlang auf das Schweigeverbot vergaßen. Die Schläge, die der Unglückliche erhielt, waren deutlich zu hören. Dann das Röcheln eines schwer Getroffenen.
    Mein Guckfenster öffnet sich, und der blutrote Schädel eines Wärters erscheint darin.
    »Du kannst dich auf etwas gefaßt machen!« brüllt er.
    »Ich stehe dir zur Verfügung, du Idiot!« antworte ich, angewidert bis oben von dem, was man dem armen Burschen, nach dem Gehörten zu urteilen, angetan haben muß.
    Das war um sieben Uhr früh. Erst um elf Uhr kommt eine Delegation, angeführt von dem Zweiten Kommandanten, um mich zu holen. Die Tür, die sich vor zwanzig Monaten hinter mir geschlossen hat, wird aufgesperrt. Ich stehe, mit dem Becher in der Hand, hinten in der Zelle, entschlossen, mich mit so vielen Schlägen wie möglich zu verteidigen. Erstens, damit mich die Posten nicht ungestraft schlagen, zweitens, um möglichst schnell tot zu sein.
    Aber nichts von alldem geschieht.
    »Zuchthaussträfling, kommen Sie heraus!«
    »Wenn Sie mich schlagen wollen, warten Sie, bis ich mich verteidigen kann. Ich möchte nicht hinausgehen, um von allen Seiten überfallen zu werden. Ich bleibe lieber hier und schlage den ersten, der mich anrührt, nieder.«
    »Wir werden Sie nicht schlagen, Charrière.«
    »Wer garantiert dafür?«
    »Ich, der Zweite Kommandant des Zuchthauses.«
    »Haben Sie ein Ehrenwort?«
    »Beleidigen Sie mich nicht, damit erreichen Sie nichts. Ich verspreche Ihnen auf Ehre, daß Sie nicht geschlagen werden. Gehen Sie!«
    Ich werfe einen Blick auf den Becher.
    »Den können Sie behalten, Sie werden sich seiner nicht zu bedienen brauchen.«
    »Na schön.« Ich verlasse die Zelle und gehe, von sechs Aufsehern und dem Zweiten Kommandanten begleitet, den Gang hinunter. Im Hof angekommen, muß ich den Kopf abwenden, die Augen schmerzen mich vom Licht, ich kann sie nicht offenhalten. Endlich sehe ich das kleine Gebäude, in dem wir seinerzeit empfangen wurden. Ein Dutzend Aufseher sind da. Ohne mich zu stoßen, läßt man mich in den Raum »Verwaltung« eintreten. Auf dem Boden liegt stöhnend ein Mann, dem das Blut herunterläuft. Auf der Uhr an der Wand vor mir ist es elf, und ich denke: Sie haben ihn vier Stunden lang gefoltert, den armen Kerl. Der Kommandant sitzt hinter seinem Schreibtisch, der Zweite sitzt neben ihm.
    »Charrière, seit wann haben Sie zusätzlich zu essen und Zigaretten bekommen?«
    »Das wissen Sie ja bereits von dem da.«
    »Ich frage
Sie.«
    »Ich leide an Gedächtnisschwund. Ich weiß nicht, was einen Tag vorher war.«
    »Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
    »Nein, ich wundere mich, daß es in meinem Akt nicht vermerkt ist. Ich habe durch einen Schlag auf den Kopf mein Gedächtnis verloren.«
    Der Kommandant ist über die Antwort so verblüfft, daß er sagt: »Fragen Sie auf Royale an, ob so etwas über ihn vermerkt ist.«
    »Aber Sie erinnern sich wohl, daß Sie Charrière heißen?« fährt er fort, während man telephoniert.
    »Das ja.« Und um ihn noch mehr zu verwirren, leiere ich rasch wie ein Automat herunter: »Ich heiße Charrière, bin 1906 im Departement Ardeche geboren und wurde in Paris, Seine, zu Lebenslänglich verurteilt.«
    Er macht Augen, rund wie Billardkugeln. Ich fühle, daß er unsicher wird. »Haben Sie heute Ihren Kaffee und Ihr Brot bekommen?«
    »Ja.«
    »Was für ein Gemüse haben Sie gestern abend

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