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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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das man dabei gewinnen kann, und daß es eine sehr gefährliche Sache ist; zu jeder beliebigen Minute kann man gezwungen sein, mit dem erstbesten Fausthelden einen Messerkampf auszutragen.
    Gestern abend hatte ich Gelegenheit, fast dem ganzen Saal beizubringen, wie ich denke und handle. Ein kleiner Toulouser wurde von einem Mann aus Nimes zum Messerkampf herausgefordert. Der kleine Toulouser, mit Spitznamen »Sardine«, und der grobschlächtige Kerl aus Nimes, Mouton, den Oberkörper nackt, das Messer in der Hand, stehen in der Mitte des Ganges. Mouton: »Entweder du zahlst mir fünfundzwanzig Franc für jede Pokerpartie, oder du spielst nicht.« Die »Sardine« antwortet: »Wir haben noch keinem jemals etwas für eine Pokerpartie bezahlt. Warum gehst du auf
mich
los und nicht auf die Spielhalter?«
    »Das geht dich einen Dreck an. Entweder du zahlst, oder du spielst nicht mit, oder du schlägst dich.«
    »Nein, ich schlage mich nicht.«
    »Du kneifst?«
    »Ja. Weil ich riskiere, einen Messerstich abzukriegen oder mich gleich umbringen zu lassen von einem Fausthelden, wie du einer bist, der noch nie eine Flucht gewagt hat. Ich, ich bin ein Mann der Flucht. Ich bin nicht hier, um zu töten oder getötet zu werden.«
    Wir warten alle, was jetzt geschehen wird. Grandet sagt zu mir: »Er ist tapfer, der Kleine, und wirklich ›ein Mann der Flucht‹. Schade, daß man nichts sagen kann.« Ich öffne mein Messer und lege es unter meinen Hintern. Ich sitze auf Grandets Hängematte.
    »Also, du Kneifer, zahlst du oder hörst du auf zu spielen? Antworte!« Und er macht einen Schritt auf die »Sardine« zu.
    Da brülle ich: »Halt dein Maul, Mouton, und laß den Burschen in Ruhe!«
    »Bist du verrückt geworden, Papillon?« murmelt Grandet.
    Ohne mich von meinem Platz zu rühren, das offene Messer unter meiner linken Backe, den Griff in der Hand, sage ich:
    »Nein, ich bin nicht verrückt, und jetzt hört einmal alle gut zu, was ich euch sage: Bevor ich mich mit dir schlage, Mouton – was ich tun werde, wenn du es verlangst, selbst nachdem ich gesprochen habe –, möchte ich dir und allen anderen sagen, daß ich seit meiner Ankunft in dieser Casa, wo wir mehr als hundert Kerle sind, alle vom Fach, mit Scham bemerkt habe, daß die schönste Sache, die verdienstvollste, die einzig wahre, nämlich die Flucht, hier nicht geachtet wird. Aber jeder Mann, der bewiesen hat, daß er ein ›Mann der Flucht‹ ist, wie der Kleine da sagt, daß er das Zeug in sich hat, sein Leben für eine Flucht zu riskieren, hat mehr als jeder andere Anspruch darauf, geachtet zu werden. Hat einer was dagegen zu sagen?« (Stille.) »In euren Gesetzen fehlt eines, und zwar das Hauptgesetz: die Vorschrift, daß jeder die ›Männer der Flucht‹
    nicht nur zu achten hat, sondern ihnen auch zu helfen, sie zu unterstützen hat. Niemand ist verpflichtet, wegzulaufen, und ich gebe zu, daß ihr alle, fast alle, entschlossen seid, euer Leben hier zu Ende zu leben.
    Aber wenn ihr nicht den Mut habt, ein neues Leben zu beginnen, dann habt zumindest Achtung vor den ›Männern der Flucht‹, so wie sie es verdienen. Und sollte einer dieses Männergesetz vergessen, so möge er mit schweren Folgen rechnen. Jetzt. Mouton, wenn du dich noch immer schlagen willst – bitte. Los!« Und ich springe in die Mitte des Saales, das Messer in der Hand. Mouton wirft das seine weg und sagt:
    »Du hast recht, Papillon. Und weil du recht hast, möchte ich mich nicht mit dem Messer mit dir schlagen, sondern mit den Fäusten, um dir zu zeigen, daß ich kein Kneifer bin.«
    Ich gebe mein Messer Grandet. Wir haben mehr als zwanzig Minuten wie die Wölfe gekämpft. Zum Schluß, durch einen geglückten Schlag auf den Kopf, habe ich den Kampf gerecht gewonnen.
    Während wir uns gemeinsam im Waschraum das Blut vom Gesicht herunterwaschen, sagt Mouton zu mir:
    »Tatsächlich, man wird zum Vieh auf diesen Inseln. Jetzt bin ich schon fünfzehn Jahre da und habe nicht einmal tausend Franc für den Versuch ausgegeben, von hier fortzukommen. Es ist eine Schande.« Als ich in die Hütte zurückkomme, schreien mich Grandet und Galgani an: »Bist du krank, alle Welt herauszufordern und zu beschimpfen? Es war das reine Wunder, daß niemand dazwischengesprungen ist, um sich mit dir zu stechen.«
    »Nein, meine Freunde, das ist gar nicht so verwunderlich. Wenn jemand wirklich recht hat, ist jeder Mann aus unserem Kreis bereit, ihm auch recht zu geben.«
    »Schon gut«, sagt Galgani, »aber du

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