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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Holz. »Abfahrt in acht Tagen«, steht darauf. »Morgen wird geimpft.«
    Wer schickt mir das?
    Ich habe es nie erfahren. Sicher ein Zuchthäusler, der so freundlich war, uns zu verständigen. Er weiß ja, daß es alle erfahren, wenn einer von uns es weiß. Daß die Nachricht gerade an mich kam, war gewiß reiner Zufall.
    Rasch benachrichtige ich Julot. »Gib’s weiter!«
    Nachdem ich meine Nachricht durchgegeben habe, habe ich Sendeschluß gemacht. Die anderen höre ich die ganze Nacht lang telephonieren. Ich schweige. Ich fühle mich viel zu wohl in meinem Bett, ich will keinen Verdruß mehr, ich mag nicht wieder in die Dunkelhaft zurück. Heute weniger denn je.

Zweites Heft: Unterwegs ins Bagno
Saint-Martin-de-Ré
    Am Abend läßt mir Batton drei Gauloises und einen Zettel zukommen. »Papillon! Ich weiß, daß Du mir ein gutes Andenken bewahren wirst«, lese ich. »Ich bin Profos, aber ich bemühe mich, den Sträflingen so wenig wie möglich anzutun. Ich habe den Posten angenommen, weil ich neun Kinder habe und schnell begnadigt werden möchte. Adieu und viel Glück! Übermorgen geht’s los.«
    Und wirklich, einen Tag später versammelt man uns in Gruppen zu dreißig im Flur des Zuchthauses.
    Krankenpfleger aus Caen impfen uns gegen Tropenkrankheiten. Jeder von uns erhält drei Spritzen und zwei Liter Milch. Dega steht neben mir. Er ist nachdenklich. Um das Redeverbot kümmern wir uns nicht mehr; wir wissen, daß man uns nach dem Impfen nicht gleich in die Dunkelzelle bringen kann. Unter den Augen der Posten, die vor den städtischen Krankenpflegern nichts sagen möchten, wird leise getratscht.
    »Ob sie genug Gefangenenwagen haben, um uns alle auf einmal zu transportieren?« fragt Dega.
    »Ich glaube nicht.«
    »Saint-Martin-de-Rè ist weit. Wenn man sechzig Mann pro Tag hinbringt, dauert der Zirkus zehn Tage. Wir sind sechshundert!«
    »Hauptsache, wir sind geimpft. Also stehen wir auf der Liste und werden bald im Bagno sein. Nur Mut, Dega!
    Können wir uns aufeinander verlassen?«
    Seine Augen strahlen vor Genugtuung. Er ergreift meinen Arm. »Auf Leben und Tod, Papi.«
    Über den Konvoi gibt es nicht viel zu erzählen, außer daß wir in den winzigen Zellen des Gefangenenwagens fast umkamen. Die Wärter weigerten sich, uns einen Atemzug Luft zu lassen; nicht einmal die Türen durfte man ein wenig aufmachen. Bei der Ankunft in La Rochelle waren zwei von unseren Kameraden tot. Erstickt.
    Die Gaffer auf dem Quai konnten miterleben, wie man die beiden armen Teufel heraushob. Saint-Martin-de-Rè ist eine Insel, und wir mußten den Meeresarm zu Schiff durchqueren. Da die Wärter die Sträflinge tot oder lebendig in die Zitadelle bringen müssen, luden sie die Leichen mit uns auf den Kahn.
    Die Überfahrt dauerte nicht lang, aber man konnte wenigstens einen tiefen Zug Meeresluft einatmen.
    »Das riecht nach Flucht«, sage ich zu Dega. Er lächelt. Und Julot, der an unserer Seite ist, bestätigt es. »Ja, das riecht nach Flucht«, sagt er. »Ich kehre dahin zurück, von wo ich vor fünf Jahren ausgebrochen bin. Ich Idiot habe mich in dem Augenblick verhaften lassen, als ich den Mann, der mich damals vor zehn Jahren hochgehen ließ, umlegen wollte. Versuchen wir, beisammen zu bleiben auf Saint-Martin werden wir zu zehnt in eine Zelle gelegt.«
    Es kam anders. Als wir landeten, rief man ihn und noch zwei und führte sie woanders hin. Alle drei waren entsprungene Bagnosträflinge, die in Frankreich gefaßt worden waren und nun zum zweitenmal ins Bagno zurückkehrten.
    In Gruppen zu zehn Mann pro Zelle beginnt für uns eine Zeit des Wartens. Wir dürfen uns unterhalten, dürfen rauchen, bekommen vorzügliches Essen. Nur der Stöpsel macht uns Sorgen. Ohne besonderen Grund werden wir plötzlich hingerufen, entkleidet und gründlich durchsucht. Zuerst alle Schlupfwinkel des Leibes bis zu den Zehen, dann die Kleider. »Anziehen!« Wir kehren in unsere Höhlen zurück.
    Die Zelle. Der Speisesaal. Der Hof, durch den wir stundenlang marschieren. Eins, zwei! Eins, zwei! Eins, zwei! Wir marschieren in Gruppen zu hundertfünfzig, ein endloser Menschenwurm mit klappernden Holzsohlen. Reden ist verboten. Bei dem Ruf: »Die Reihen auflösen!« setzen wir uns auf den Boden. Es bilden sich Gruppen in sozialer Abstufung. Zunächst die Schwerverbrecher. Woher sie stammen, zählt wenig: aus Korsika, aus Marseille, aus Toulouse, aus der Bretagne, aus Paris und so weiter. Sogar ein Mann aus Ardeeche ist darunter – ich. Und zur Ehre der

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