Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
Vom Netzwerk:
Leute aus Ardeeche muß ich sagen, daß es in dem ganzen Konvoi von tausendneunhundert Mann außer mir nur noch einen gibt, der aus meiner Heimat ist; ein Feldhüter, der seine Frau getötet hat. Daraus geht hervor, daß die Einwohner des Ardeechetales brave Leute sind. Die übrigen Gruppen bilden sich irgendwie.
    Diese Tage des Wartens nennt man die Beobachtungszeit. Und man beobachtet uns wirklich aus allen Winkeln.
    Eines Nachmittags kommt, während ich in der Sonne sitze, ein Mann auf mich zu. Er trägt eine Brille, ist klein und mager. Ich versuche herauszufinden, woher er sein mag, doch bei unserer Sträflings uniform ist das nicht so leicht.
    »Bist du Papillon?« fragt er mit stark korsischem Akzent.
    »Ja, das bin ich. Was willst du von mir?«
    »Komm auf die Toilette«, sagt er und geht.
    »Das ist ein korsischer Unterweltler«, sagt Dega. »Sicher ein Bandit aus den Bergen. Was kann er von dir wollen?«
    Ich werde es bald erfahren. Die Toilette ist in der Mitte des Hofes. Ich gehe hin und tue, als urinierte ich. Der Mann steht neben mir in der gleichen Stellung.
    »Ich bin der Schwager von Pascal Matra. Er hat mir im Sprechzimmer gesagt, wenn ich Hilfe brauche, soll ich mich in seinem Namen an dich wenden.«
    »Ja, Pascal ist mein Freund. Was willst du?«
    »Ich kann den Stöpsel nicht mehr halten, ich habe Abführen. Ich weiß nicht, wem ich mich anvertrauen soll; ich habe Angst, daß man ihn mir stiehlt oder daß die Posten ihn finden. Ich bitte dich, Papillon, trag ihn ein par Tage für mich.« Und er zeigt mir einen Stöpsel, viel größer als der meine.
    Ich fürchte, daß er mir eine Falle stellt, um zu erfahren, ob ich einen trage. Wenn ich antworte, ich wüßte nicht, ob ich zwei tragen kann, weiß er es. Also frage ich kalt: »Wieviel ist drin?«
    »Fünfundzwanzigtausend.«
    Ohne ein Wort zu verlieren, nehme ich das Ding, das übrigens sehr sauber ist, und stecke es mir vor seinen Augen in den After. Dabei frage ich mich, ob ein Mensch zwei Stöpsel überhaupt tragen kann. Ich weiß es nicht. Ich richte mich auf und knöpfe mir die Hose zu … Es geht. Ich spüre nichts.
    »Ich heiße Ignace Galgani«, sagt er, bevor er geht. »Danke, Papillon.«
    Ich kehre zu Dega zurück und erzähle ihm die Geschichte.
    »Ist es dir nicht zu schwer?«
    »Nein.«
    »Dann reden wir nicht mehr darüber.«
    Wir suchen mit den Burschen, die auf der Flucht erwischt wurden, in Kontakt zu kommen, möglichst mit Julot oder Guittou. Wir möchten wissen, wie es da unten ist, wie man behandelt wird und wie man es anstellt, um mit einem Kumpel zusammenbleiben zu können. Der Zufall will, daß wir auf eine sonderbare Type stoßen, einen Ausnahmefall. Es ist ein Korse, der im Bagno geboren ist. Sein Vater war Aufseher und lebte mit der Mutter auf den lies du Salut. Er kam auf der lle Royale, einer der drei Inseln, zur Welt, die beiden anderen heißen Saint-Joseph und Le Diable, die Teufelsinsel, und – was für ein Schicksal! – er kam nicht als der Sohn des Aufsehers dahin zurück, sondern als Bagnosträfling.
    Er wurde wegen Einbruchsdiebstahls zu zwölf Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Neunzehn Jahre, ein offenes Gesicht, helle, reine Augen. Dega und ich sehen gleich, daß es sich um einen Unglücksfall handelt. Er erzählt uns von dem Leben auf den Inseln, wo er vierzehn Jahre lang gelebt hat. Er gibt uns wertvolle Ratschläge. Zum Beispiel, daß es besser ist, vom Festland aus zu fliehen, denn von den Inseln aus sei es unmöglich. Man darf auch nicht als »Gefährlicher« abgestempelt sein, sonst wird man im Ankunftshafen Saint-Laurent -du-Maroni auf Zeit oder lebenslänglich, je nach dem Grad der »Gefährlichkeit«, interniert. Im allgemeinen sind weniger als fünf Prozent der Deportierten auf den Inseln interniert, die übrigen bleiben auf dem Festland. Die Inseln sind gesund, aber das »Festland sei eine Sauerei, wie Dega mir sagte; es frißt den Bagnosträfling nach und nach durch allerhand Krankheiten, Meuchelmorde und so weiter auf.
    Dega und ich hoffen, daß man uns nicht auf den Inseln interniert. Der bloße Gedanke daran würgt mir die Kehle ab. Aber wenn ich als »Gefährlicher« gelte, mit meinem Lebenslänglich, der Sache mit Tribouillard und dem Direktor – nun ja, dann bin ich fein dran …
    Eines Tages geht das Gerücht um, man soll sich unter keinen Umständen krank melden, weil die, die für die Reise zu krank oder zu schwach sind, im Krankentrakt vergiftet werden. Das muß eine Ente sein. Und

Weitere Kostenlose Bücher