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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Gatte der Toten aufs Festland gefahren war, faßte ich den Entschluß, die Erde bis zum Sarg hinunter zu entfernen.
    Matthieu Carbonieri sitzt auf der Mauer und macht den Aufpasser. Auf dem Kopf trägt er ein weißes, an den vier Zipfeln verknotetes Taschentuch. Daneben hat er ein rotes Taschentuch, das auch an den vier Zipfeln geknotet ist. Solange die Luft rein ist, behält er das weiße auf. Kaum erscheint jemand, setzt er das rote auf.
    Diese sehr riskante Arbeit kostet mich nicht mehr als einen Nachmittag und eine Nacht. Ich mußte gar nicht die Erde bis zum Sarg ausheben, aber ich mußte das Loch erweitern, damit es die Breite des Floßes hat, ein Meter zwanzig, mit etwas Spielraum. Die Stunden erschienen mir endlos, und das rote Häubchen wurde mehrmals aufgesetzt.
    An diesem Morgen bin ich endlich fertig geworden. Das Loch ist mit Kokospalmengeflecht bedeckt, das einen verhältnismäßig festen Boden abgibt. Darüber Erde, und drum herum eine kleine Einfassung. Man sieht fast nichts. Ich bin mit den Nerven fertig.
    Jetzt dauert die Vorbereitung der Flucht schon drei Monate. Zusammengebunden und numeriert, wurden alle Hölzer aus dem Versteck herangebracht. Sie liegen nun auf dem Sarg der armen Frau, gut versteckt unter der Erde, die das Kokosgeflecht bedeckt. In das Mauerversteck wurden drei Mehlsäcke und ein zwei Meter langes Seil für das Segel, eine Flasche voll mit Zündhölzern und Reibpapier und ein Dutzend Kondensmilchdosen hineingegeben. Das ist alles.
    Bourset ist mehr und mehr aufgeregt. Man könnte meinen, er müßte statt meiner flüchten. Naric bedauert, daß er nicht gleich am Anfang ja gesagt hat, sonst hätte er das Boot für drei anstatt für zwei berechnet.
    Es ist Regenzeit. Jeden Tag regnet es. Das hilft mir bei meinen Grabbesuchen. Ich bin schon fast fertig mit dem Zusammenbau des Floßes. Es fehlen nur noch die beiden Floßränder. Nach und nach habe ich die Kokosnüsse näher an den Garten meines Freundes herangeschafft, man kann sie jetzt leicht und ohne Gefahr aus dem offenen Büffelstall herausnehmen. Meine Freunde fragen mich niemals, wie weit ich bin.
    Von Zeit zu Zeit nur fragen sie: »Wie geht’s?« – »Geht gut.« – »Dauert ein bißchen lang, was?« – »Geht nicht schneller ohne großes Risiko.« Das ist alles. Als ich die bei Juliette hinterlegten Kokosnüsse wegtrage, sieht sie mich und jagt mir eine tierische Angst ein.
    »Sag mal, Papillon, du machst doch Öl aus den Kokos? Warum nicht hier in meinem Hof? Wo hast du ein Stemmeisen, um sie zu öffnen, und ich hätte dir einen großen Topf geborgt, um das Mark hineinzutun.«
    »Ich mach’s lieber im Lager.«
    »Komisch. Im Lager kann das für dich doch nicht sehr bequem sein.« Dann sagt sie nach einer kurzen Überlegung: »Willst du wissen, was ich glaube? Ich glaube nämlich nicht, daß du aus den Kokos Öl machst.«
    Ich erstarre. Sie setzt fort: »Warum solltest du das auch tun, wenn du von mir so viel Olivenöl bekommen kannst, als du nur willst. Diese Kokos brauchst du für was ganz anderes, nicht wahr?« Ich trockne mir die Schweißperlen ab. Jeden Moment erwarte ich, daß sie das Wort »Flucht« ausspricht. Der Atem geht mir kurz.
    Ich sage: »Es ist tatsächlich ein Geheimnis, Madame, aber ich sehe schon, daß Sie so mißtrauisch und neugierig sind, daß Sie mir die Überraschung verderben, die ich Ihnen bereiten wollte. Aber ich werde Ihnen nur so viel mitteilen, als daß aus diesen Kokosnüssen eine sehr hübsche Sache gemacht werden soll, die ich Ihnen schenken wollte. Das ist die Wahrheit.«
    Ich habe gewonnen, denn sie antwortet mir: »Aber Papillon, bemüh dich doch nicht so für mich, und vor allem verbiete ich dir, Geld auszugeben, um für mich irgend etwas Besonderes zu machen. Ich danke dir vielmals dafür, aber tu’s wirklich nicht. Ich bitte dich.«
    »Gut, wir werden sehen.« Uff! Spontan bitte ich um einen Schnaps, was ich noch nie getan habe. Sie bemerkt meine Verwirrung nicht, der liebe Gott ist mit mir.
    Jeden Tag regnet es, besonders am Nachmittag und in der Nacht. Ich habe Angst, daß das Wasser in die dünne Erdschicht eindringt und am Ende das Kokosgeflecht bloßlegt. Matthieu tut ständig neue Erde darauf und geht weg. Darunter muß schon alles überschwemmt sein. Mit Hilfe von Matthieu heben wir die Kokosmatte: das Wasser bedeckt den Sarg fast vollständig. Eine kritische Lage. Nicht weit davon befindet sich die Gruft von zwei Kindern, die seit langem drin liegen. Eines Tages nehme

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