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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Die Schädeldecken öffneten sich wie zwei Granatäpfel, und das Hirn spritzte auf den Boden.
    Rasend vor Wut, begnügte sich der Pole damit nicht, sondern riß den Getöteten auch noch das Hirn heraus und schmiß es gegen die Mauer. Alles war mit Blut und Hirnmasse beschmiert.
    Wenn
ich
schon nicht vom Vorsitzenden des Kriegsgerichts verstanden wurde, so doch wenigstens Dandosky, der für doppelten vorsätzlichen Mord nur zu fünf Jahren verurteilt wurde.
Die zweite Strafhaft
    Mit dem Polen zusammengeschlossen komme ich auf die Inseln. Man hat sich nicht schlecht beeilt: Montag sind wir in Saint-Laurent angekommen, Donnerstag kamen wir vors Kriegsgericht, und schon Freitag früh hat man uns verladen.
    Wir kehren sechzehn Mann, davon ein Dutzend Korrektionshäftlinge, auf die Inseln zurück. Die Reise wird bei stürmischer See angetreten, häufig stürzen die Wogen, eine größer als die andere, über das Deck. In meiner Verzweiflung bin ich schon so weit, zu hoffen, daß der Kahn untergeht. Ich spreche mit niemandem, bin ganz auf mich eingestellt, das Gesicht dem schneidenden Sprühen ausgesetzt. Ich schütze mich nicht, im Gegenteil: ich lasse freiwillig meinen Hut fortwehen, ich werde ihn nicht benötigen während der acht Jahre Strafhaft. Mit dem Gesicht gegen den Sturm atme ich bis zum Ersticken die schneidende Luft ein. Erst wünsche ich, daß wir absaufen, dann fange ich mich wieder: »Bebert Gelier haben die Haifische gefressen; du bist dreißig und hast acht Jahre abzusitzen.« Aber kann man acht Jahre in der Menschenfresserin aushaken?
    Meiner Erfahrung nach glaube ich, es ist unmöglich. Vier oder fünf Jahre dürften die äußerste Grenze sein.
    Hätte ich nicht Gelier getötet, wären es nur drei, vielleicht sogar nur zwei Jahre gewesen. Aber der Mord hat alles verschlimmert, den Fluchtversuch inbegriffen. Ich hätte diesen Schweinehund nicht töten dürfen. Meine Menschenpflicht mir selbst gegenüber ist nicht, mir Recht zu verschaffen, sondern zuerst vor allem zu leben – zu leben, um zu flüchten. Wie konnte ich nur diesen Fehler begehen? Der Unterschied ist klein: eigentlich hat er mich getötet, dieser Dreckskerl. Leben, leben, leben, das hätte meine einzige Religion sein müssen und sie muß es sein! In der Begleitmannschaft finde ich einen Aufseher wieder, den ich von der Strafhaft her kenne. Ich weiß nicht, wie er heißt, aber ich habe das wahnsinnige Bedürfnis, ihm eine Frage zu stellen:
    »Chef, ich möchte Sie etwas fragen.« Erstaunt kommt er zu mir und fragt:
    »Was?«
    »Haben Sie Männer gekannt, die acht Jahre Korrektionszelle hint er sich gebracht haben?«
    Er denkt nach und sagt dann: »Nein, aber ich habe einige gekannt mit fünf Jahren und sogar einen, das erinnere ich mich gut, der bei recht guter Gesundheit und ohne durchgedreht zu sein nach sechs Jahren herausgekommen ist. Ich war dabei, wie man ihn entlassen hat.«
    »Danke.«
    »Schon gut«, sagt der Aufseher. »Du hast acht Jahre bekommen, glaube ich?«
    »Ja, Chef.«
    »Das stehst du nur durch, wenn du keine Strafen faßt.«
    Dieser Satz ist sehr wichtig. Ja, ich komme nur lebend heraus, wenn ich niemals bestraft werde. Die Strafen bestehen nämlich darin, für eine gewisse Zeit einen Teil oder sogar die ganze Nahrung entzogen zu bekommen, wovon man sich, selbst bei Wiederaufnahme
des
normalen Essens, niemals erholt. Einige solcher Strafen verhindern, daß man bis zuletzt durchhält, man krepiert schon vorher. Folglich: Ich darf weder Kokosnüsse noch Zigaretten annehmen, nicht einmal schreiben oder Briefe erhalten. Während des Restes der Fahrt kaue ich ununterbrochen an diesem Entschluß. Nichts, absolut nichts, weder von außen noch im Gefängnis. Ich habe eine Idee: Die einzige Möglichkeit, mir helfen zu lassen, ohne Essensentzug zu riskieren, ist, daß draußen jemand die Suppenverteiler besticht, damit sie mir mittags eines der größten und besten Stücke Fleisch geben. Das ist leicht, denn der eine teilt die Suppe aus, der andere, der hinter ihm mit einem Tablett steht, legt ein Stück Fleisch in den Suppenteller. Er müßte nur ordentlich in seinem Topf herumrühren und mit der Kelle das meiste Gemüse mit herausfischen. Diese Idee stärkt mich. So könnte ich tatsächlich einigermaßen den Hunger stillen und, falls die Sache gut klappt, einigermaßen genug zu essen kriegen. Dann wird es nur von mir abhängen, von glücklichen Dingen zu träumen und in meinen Gedanken mich von meiner jetzigen Lage zu entfernen,

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