Papillon
Ende, Herr Antartaglia.«
»Gib’s ihm, wenn du was hast. Ich bin Nichtraucher. Ich bedaure dich aufrichtig, Papillon. Ich bin Korse, ich liebe echte Männer und verabscheue jede Gaunerei.«
Ein Viertel vor zehn bin ich im Hof und warte. Naric, Quenier, Bourset, Carbonieri sind auch da. Der Gammler, der uns bewacht, ist eben dieser Antartaglia, der Kaffeeaufseher. Er spricht auf korsisch mit Carbonieri. Ich verstehe, daß er ihm sagt, es sei ein Unglück, was ihm da zustößt, und daß er drei Jahre Strafhaft riskiere. In diesem Augenblick öffnet sich die Tür und auf den Hof kommen die Araber von der Kokospalme, der Araber, der Türwächter bei der Werkstatt ist, und Bebert Gelier. Kaum bemerkt mich der, macht er eine Rückzugsbewegung, aber der Wächter, der sie begleitet, sagt zu ihm:
»Gehen Sie vor und stellen Sie sich abseits, hier, rechts. Antartaglia, laß sie nicht miteinander reden.« Wir stehen jetzt kaum zwei Schritt voneinander entfernt. Antartaglia sagt:
»Sprechverbot zwischen den beiden Gruppen!«
Carbonieri spricht weiter korsisch mit seinem Landsmann, der die beiden Gruppen zu bewachen hat. Der Gammler bückt sich zu seinen Schuhen hinunter und richtet sich das Schuhband. Ich mache Matthieu ein Zeichen, ein wenig vorzugehen. Er versteht sofort, blickt zu Bebert Gelier und spuckt in dessen Richtung.
Nachdem sich der Aufseher wieder aufgerichtet hat, spricht Carbonieri weiter auf ihn ein und nimmt so sehr seine Aufmerksamkeit gefangen, daß ich mich etwas von meinem Platz wegbewegen kann, ohne daß er es bemerkt. Ich drehe mein Messer hin und her. Nur Gelier kann es sehen, und mit unglaublicher Schnelligkeit zieht er sein offenes Messer aus der Hose, sticht zu und schneidet mir den rechten Armmuskel auf. Ich bin Linkshänder und ramme ihm mit einem einzigen Stoß mein Messer bis zum Griff in die Brust. Ein tierischer Aufschrei: »Aaah…!« Er fällt wie ein Stein zu Boden. Antartaglia hat den Revolver in der Hand: »Zurück, mein Kleiner, geh zurück. Wenn du jetzt noch einmal zustößt, muß ich auf dich schießen, und das will ich nicht.«
Carbonieri nähert sich Gelier und berührt dessen Kopf mit dem Fuß. Er sagt zwei Worte auf korsisch. Ich hab sie verstanden: »Er ist tot.« Der Wächter redet weiter:
»Gib mir dein Messer, Kleiner.« Ich gebe es ihm. Er steckt seinen Revolver in die Halfter zurück, geht zur Eisentür und klopft. Ein Wächter öffnet, und er sagt zu ihm:
»Schick Leute mit einer Tragbahre her, es ist ein Toter aufzuklauben.«
»Wer ist tot?« fragt der Wächter.
»Bebert Gelier.«
»So? Ich glaubte, es wäre Papillon.«
Wir werden wieder in unsere Zellen gebracht. Die Gegenüberstellung ist abgeblasen. Während wir durch den Gang gehen, sagt mir Cabonieri: »Mein armer Papi, diesmal hat’s dich.«
»Ja, aber ich lebe, und er ist krepiert.«
Der Aufseher kommt allein zurück, öffnet leise die Zellentür und sagt mir, noch immer aufgeregt: »Klopf schnell an die Tür, sag, du bist verwundet. Er war’s, der als erster zugestoßen hat, ich hab’s gesehen.« Und schließt leise die Tür.
Diese korsischen Aufseher sind schon Kerle: ganz schlecht oder ganz gut. Ich trommle an die Tür und schreie: »Ich bin verwundet! Ich will ins Spital! Man muß mich verbinden!«
Der Wächter kommt mit dem Chefaufseher der Strafzellen.
»Was hast du? Warum schlägst du solchen Lärm?«
»Ich bin verwundet, Chef.«
»Was, du bist verwundet? Ich dachte, er hat dich nicht getroffen, als er auf dich losging.«
»Mein rechter Armmuskel ist doch durchgeschnitten.«
»öffnen Sie«, sagt er zum anderen Aufseher.
Die Tür öffnet sich, ich gehe hinaus. Alle sehen es – der Muskel ist glatt durch.
»Legen Sie ihm Handschellen an und führen Sie ihn ins Spital. Aber lassen Sie ihn unter keinen Umständen dort, sondern bringen Sie ihn hierher zurück, nachdem er verbunden worden ist.«
Wie ich hinauskomme, sind da ein Dutzend Aufseher mit dem, Kommandanten. Der Werkstattaufseher sagt zu mir:
»Mörder!«
Bevor ich noch antworte, faucht ihn der Kommandant an:
»Schweigen Sie, Aufseher Bruet! Papillon ist angegriffen worden.«
»Nicht sehr wahrscheinlich«, sagt Bruet.
»Ich habe es selbst gesehen, und ich bin Zeuge«, sagt Antartaglia. »Und nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Bruet, ein Korse lügt nicht.«
Im Spital ruft Chatal den Arzt. Ohne ein Wort an mich zu richten, vernäht er mich. Ohne Narkose, ohne lokale Betäubung setzt er mir acht Klammern. Ich zeige den Schmerz
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