Papillon
Abschied.«
»Ich benütze die Gelegenheit, da wir alleine sind, Herr Kommandant, um Ihnen zu danken, daß Sie für mich das möglichste getan haben. Trotz der großen Unannehmlichkeiten, die ich für Sie heraufbeschworen hätte, wenn meine Flucht gelungen wäre.«
»Du hättest mir tatsächlich schwere Kopfschmerzen bereiten können. Trotzdem möchte ich dir etwas sagen: Du verdienst, daß es dir gelungen wäre.« Vor der Tür des Straf Zellentraktes fügt er hinzu: »Adieu, Papillon.
Möge Gott dir helfen, du wirst es nötig haben.«
»Adieu, Herr Kommandant.«
Ja! Ich werde Gottes Hilfe nötig haben, denn das Militärgericht unter dem Vorsitz eines Gendarmeriekommandanten mit vier Streifen war unerbittlich. Drei Jahre für Diebstahl und Unterschlagung von Staatseigentum, Grabschändung und Fluchtversuch, und dazu fünf Jahre für den Mord an Gelier.
Insgesamt acht Jahre Korrektionszelle. Wäre ich nicht verwundet gewesen – bestimmt hätten sie mich zum Tod verurteilt.
Das Gericht, so streng mir gegenüber, zeigte sich im Fall eines Polen, namens Dandosky, der zwei Männer getötet hatte, weit verständnisvoller. Es brummte ihm nur fünf Jahre auf, obwohl er zweifellos mit Vorsatz gehandelt hatte.
Dandosky war ein Bäcker, der den Sauerteig vorbereitete. Er arbeitete nur von drei bis vier Uhr früh. Da sich die Bäckerei am Kai befand, unmittelbar am Meer, verbrachte er alle seine freien Stunden mit Fischfang.
Ruhig, kaum Französisch sprechend, verkehrte er mit niemandem. Der auf Lebenszeit verurteilte Zwangsarbeiter schenkte seine ganze Zärtlichkeit einer prachtvollen schwarzen Katze mit grünen Augen, die sein Leben teilte. Sie schliefen miteinander, die Katze folgte ihm wie ein Hund zur Arbeit, war ständig bei ihm. Kurz, es war die große Liebe zwischen dem Tier und ihm. Wenn die Katze ihn zum Fischen begleitete, es aber zu heiß und für sie kein schattiger Winkel zu finden war, kehrte sie allein in die Bäckerei zurück und legte sich in die Hängematte ihres Freundes. Läutete die Glocke zu Mittag, lief sie dem Polen entgegen und sprang zu dem kleinen Fisch hoch, den er vor ihrer Nase tanzen ließ, bis sie ihn packte.
Die Bäcker leben alle zusammen in einem Saal, der zur Bäckerei gehört. Eines Tages luden zwei Sträflinge, sie hießen Corrazzi und Angelo, Dandosky zu dem Kaninchenessen ein, das Corrazzi mindestens einmal in der Woche zubereitete. Dandosky setzt sich nieder und ißt mit ihnen und bietet ihnen eine Flasche Wein zum Essen an. Am Abend ist die Katze nicht da. Der Pole sucht sie überall vergebens. Eine Woche vergeht keine Katze. Traurig, seinen kleinen Gefährten verloren zu haben, nimmt Dandosky an nichts mehr Anteil. Er war todtraurig, daß das einzige Wesen, das er liebte und das ihm wohltat, auf mysteriöse Weise verschwunden war. Als die Frau eines Aufsehers von seinem großen Schmerz erfuhr, bot sie ihm eine kleine Katze an. Dandosky warf sie hinaus und fragte die Frau gekränkt, wie sie denn annehmen könne, daß er eine andere als seine eigene Katze lieben könne. Das wäre, sagt er, eine ernste Beleidigung des Andenkens seiner lieben Entschwundenen.
Eines Tages schlägt Corrazzi einen Bäckerlehrling, der gleichzeitig Brotausträger ist. Er schlief nicht zusammen mit den Bäckern, war aber Lagerhäftling. Aus Rache sucht der Lehrling Dandosky auf, findet ihn und sagt: »Höre, das Kaninchen, zu dem dich Corrazzi und Angelo neulich eingeladen haben, war deine Katze.«
»Wo ist der Beweis?« schreit der Pole und packt den Mann an der Gurgel.
»Unter dem Mangobaum hinter der Bäckerei. Dort habe ich Corrazzi gesehen, wie er das Fell von deiner Katze eingegraben hat.«
Wie ein Wahnsinniger stürzt der Pole hin und findet tatsächlich das Katzenfell. Es ist halb verwest, der Kopf bereits aufgelöst. Er wäscht den Balg in Meerwasser, hängt ihn an die Sonne, damit er trocknet, dann wickelt er ihn in ein sauberes Tuch und bestattet ihn an einem trockenen Ort, tief genug hinein, wo keine Würmer mehr drankommen. So erzählt er mir das alles.
In der Nacht sitzen Corrazzi und Angelo im Saal der Bäcker beim Licht einer Petroleumlampe auf einer großen Bank beisammen und spielen Karten. Dandosky ist ein Mann von vierzig, mittelgroß, untersetzt, mit breiten Schultern, sehr stark. Er hat einen großen Stock aus Hartholz vorbereitet, so schwer, als wenn er aus Metall wäre, und von hinten kommend, ohne ein Wort, führt er einen furchtbaren Schlag auf die Köpfe der beiden.
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