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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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um nicht verrückt zu werden. Wir kommen auf den Inseln an.
    Es ist drei Uhr nachmittags. Kaum ausgeschifft, sehe ich das helle, gelbe Kleid von Juliette an der Seite ihres Gatten. Der Kommandant kommt schnell auf mich zu, noch bevor wir Zeit gehabt haben, uns in Reih und Glied aufzustellen, und fragt mich:
    »Wieviel?«
    »Acht Jahre.«
    Er wendet sich zu seiner Frau um und spricht mit ihr. Offensichtlich ergriffen, setzt sie sich auf einen Stein.
    Sie scheint ganz verloren. Ihr Mann nimmt sie am Arm, sie erhebt sich, und nachdem sie mir einen langen Blick aus ihren riesigen Augen zugeworfen hat, gehen die beiden weg, ohne sich umzuwenden.
    »Papillon«, sagt Dega, »wieviel?«
    »Acht Jahre Einzelhaft.« Er sagt nichts und wagt nicht, mich anzublicken. Galgani nähert sich, und bevor er noch etwas spricht, sage ich ihm:
    »Schicke mir nichts, schreibe mir auch nicht. Bei einem so langen Knast kann ich keine Strafe riskieren.«
    »Verstehe.«
    Mit leiser Stimme füge ich schnell hinzu: »Versuche, daß man mir mittags und abends möglichst gut zu essen gibt. Wenn dir das gelingt, werden wir uns vielleicht eines Tages wiedersehen. Adieu.«
    Freiwillig wende ich mich dem ersten Boot zu, das uns nach Saint-Joseph bringen soll. Jedermann blickt mir nach, wie man einem Sarg nachblickt, der in die Grube hinabgelassen wird. Niemand spricht. Auf dem kurzen Weg wiederhole ich Chapar, was ich Galgani gesagt habe. Er antwortet:
    »Das muß zu machen sein. Nur Mut, Papi.« Dann sagt er: »Und Matthieu Carbonieri?«
    »Verzeih, daß ich ihn vergessen habe. Der Vorsitzende des Kriegsgerichtes hat zusätzliche Auskünfte über seinen Fall angefordert, bevor er eine Entscheidung treffen will. Ist das gut oder schlecht?«
    »Das ist gut, glaube ich.«
    Ich bin in der ersten Reihe der kleinen Kolonne der zwölf Mann, die die Küste hinaufsteigen, um ihre Strafhaft anzutreten. Ich gehe schnell, ich habe merkwürdigerweise Eile, allein in meiner Einzelzelle zu sein.
    Ich beschleunige so den Schritt, daß der Aufseher mir sagt:
    »Geh langsamer, Papillon, man könnte meinen, du hast es eilig, in das Haus zurückzukehren, das du eben erst verlassen hast.« Wir kommen an.
    »Halt! Ihr steht vor dem Kommandanten.«
    »Bedaure, daß du zurückgekehrt bist, Papillon«, sagte er zu mir. Und dann: Einzelhäftling dorthin, Einzelhäftling hierhin und so weiter. Seine übliche Rede: »Bau A, Zelle 127. Es ist die beste, Papillon, denn sie liegt gegenüber der Gangtür, und so hast du mehr Licht, und Luft wird dir auch nicht fehlen. Ich hoffe, daß du dich gut aufführst. Acht Jahre, das ist lang. Aber wer weiß, ob du nicht bei ausgezeichneter Führung ein oder zwei Jahre gnadenhalber geschenkt bekommst. Ich wünsche es dir, denn du bist ein mutiger Mann.«
    So bin ich also in der 127. Sie liegt tatsächlich gerade gegenüber einer großen Gittertür, die auf den Gang führt. Obwohl es schon fast sechs Uhr abends ist, ist es darin noch einigermaßen hell. Diese Zelle sieht weder nach Verwesung aus, noch hat sie diesen Geruch, den meine erste Zelle gehabt hat. Das gibt mir etwas Mut: »Mein Alter, da sind die vier Mauern, die dich acht Jahre anblicken werden. Zähle nicht die Monate und nicht die Stunden, es ist unnütz. Das einzige Maß, das du dir gestatten darfst, sind sechs Monate. Sechzehnmal sechs Monate, und du bist wieder frei. Auf jeden Fall hast du einen Vorteil: Wenn du hier krepierst, so wirst du wenigstens die Genugtuung haben, falls es am Tag ist, im Licht zu sterben. Das ist sehr wichtig. Im Dunkeln zu krepieren – das ist nicht sehr heiter. Und wenn du krank bist, wird wenigstens der Arzt dir in die Fresse sehen. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, daß du ein neues Leben auf der Flucht beginnen wolltest, noch, bei meiner Seele, daß du Gelier getötet hast. Stell dir vor, wie sehr du leiden würdest beim Gedanken, ihm ist die Flucht gelungen, während du hier sitzt.« Kommt Zeit, kommt Rat.
    Vielleicht wird es eine Amnestie geben, einen Krieg, ein Erdbeben, einen Taifun, der diese Festung zerstört.
    Warum nicht? Ein anständiger Mensch kann vielleicht auch bei seiner Rückkehr nach Frankreich erreichen, daß die Franzosen sich aufregen und die Strafverwaltung zwingen, mit einem System Schluß zu machen, das die Menschen köpft ohne Guillotine. Vielleicht gibt es auch einen beherzten Arzt, der das Ganze einem Journalisten erzählt oder einem Geistlichen, was weiß ich? Egal wie immer, Gelier ist längst von den

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