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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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»Ihnen ist buchstäblich der Hals abgeschnitten. Selbstverständlich hat niemand was gesehen noch gehört, wie?«
    Schweigen.
    »Du, Alter, bist Saalwächter hier. Die Männer sind steif. Doktor, seit wann ungefähr sind sie tot?«
    »Seit acht bis zehn Stunden«, sagt der Arzt.
    »Und du hast sie erst um fünf entdeckt? Du hast nichts gesehen, nichts gehört?«
    »Nein. Nichts. Ich bin schwerhörig. Und ich sehe fast nichts mehr. Noch dazu habe ich siebzig Jahre auf dem Buckel, vierzig davon im Bagno, da könnt ihr verstehen, daß ich viel schlafe. Um sechs Uhr schlafe ich schon, und nur weil ich pissen gehen mußte, bin ich um fünf Uhr früh aufgewacht. Es war ein glücklicher Zufall, denn gewöhnlich wache ich erst beim Glockenzeichen auf.«
    »Du hast recht, es war ein glücklicher Zufall«, sagt der Kommandant ironisch. »Auch für uns. So konnte alle Welt die ganze Nacht ruhig schlafen, die Aufseher wie die Sträflinge. Bahrenträger, bringt die zwei Leichen weg und tragt sie zum Leichenschauhaus. Ich möchte, daß Sie eine Autopsie machen, Doktor. Und ihr geht einer nach dem anderen in den Hof hinaus. Nackt!«
    Jeder muß sich vor den Kommandanten und den Doktor hinstellen. Die Männer werden eingehend unter die Lupe genommen, alle Körperteile untersucht. Niemand hat eine Verwundung, bei einigen findet man Blutspritzer. Sie erklären es damit, daß sie ausgerutscht sind, als sie aufs Klo gehen mußten. Grandet, Galgani und ich werden genauer untersucht als die anderen.
    »Papillon, wo ist Ihr Platz?«
    Sie durchsuchen mein ganzes Zeug. »Wo ist dein Messer?«
    »Mein Messer wurde mir um sieben Uhr abends abgenommen, vom Aufseher an der Tür.«
    »Das stimmt«, sagt der Mann, »er hat richtig Krach geschlagen deshalb und mir Vorwürfe gemacht, daß ich ihn wehrlos seinen Mördern ausliefere.«
    »Grandet, gehört dieses Messer Ihnen?«
    »Wenn’s auf meinem Platz liegt, dann gehört es mir.«
    Er prüft das Messer genauestens. Es ist sauber wie eine neue Münze, ohne jeden Fleck.
    Der »Toubib« kommt aus den Klos zurück und sagt: »Das Messer, mit dem den Männern der Hals durchgeschnitten wurde, muß zwei Schneiden haben. Sie sind beide im Stehen ermordet worden. Das ist ganz unerklärlich. Ein Sträfling läßt sich nicht wie ein Karnickel den Hals abschneiden, ohne sich zu verteidigen. Es muß da irgendeinen Verwundeten geben.«
    »Aber Sie sehen doch selbst, Doktor, keiner von denen da hat auch nur einen Ritzer.«
    »Waren die beiden Männer gefährlich?«
    »Außerordentlich. Der Armenier ist gewiß der Mörder von Carbonieri gewesen, der gestern um neun Uhr früh im Waschraum getötet wurde.«
    y »Klassische Angelegenheit«, sagt der Kommandant. »Auf jeden F all bewahren Sie das Messer von Grandet auf. Jedermann an die Arbeit, außer den Kranken. Papillon, Sie haben sich krank gemeldet?«
    »Ja, Herr Kommandant.«
    »Sie haben wenig Zeit verloren, um Ihren Freund zu rächen. Ich bin kein Dummkopf, das wissen Sie. Leider habe ich keine Beweise, und ich weiß, daß wir keine finden werden. Zum letztenmal: Hat niemand etwas zu melden? Wenn einer von euch Licht in dieses doppelte Verbrechen bringt, so gebe ich mein Wort, daß er freigelassen und aufs Festland geschickt wird.«
    Schweigen.
    Die ganze Hütte von dem Armenier hat sich krank gemeldet. Als sie das bemerkten, haben sich auch Grandet, Galgani, Jean Castelli und Louis Gravon im letzten Moment in die Krankenliste eintragen lassen.
    Der Saal hat sich geleert. Wir bleiben fünf von meiner Hütte und vier von der Hütte des Armeniers zurück, dann der Uhrmacher, der Saalwächter, der pausenlos brummt, weil er so viel reinigen muß, und zwei oder drei andere Schwere, darunter ein Elsässer, der große Sylvain.
    Dieser Mann lebt allein bei den Schweren, er hat lauter Freunde hier. Als Urheber einer ungewöhnlichen Tat, die ihm zwanzig Jahre schwere Zwangsarbeit eingetragen hat, wird dieser Mann von allen sehr geachtet.
    Ganz allein hat er einen Postwaggon des Schnellzugs Paris – Brüssel überfallen, die zwei Wächter niedergeschlagen und die Postsäcke auf den Bahnkörper hinausgeworfen, wo sie von seinen Komplizen aufgehoben und weggebracht wurden. Das Ganze hat ihm eine gewaltige Geldsumme eingetragen.
    Sylvain, der sieht, wie in den beiden Hütten geflüstert wird, und nicht weiß, daß wir einen Waffenstillstand ausgemacht haben, erlaubt sich, das Wort zu ergreifen: »Ich hoffe, daß ihr euch nicht anschickt, einen Kampf a la Drei

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