Papillon
Musketiere auszutragen?«
»Nicht heute«, sagt Galgani. »Das heben wir uns für später auf.«
»Warum für später? Man soll nie etwas aufschieben, was man gleich tun kann«, sagt Paolo. »Aber ich selbst sehe keinen Grund, warum wir uns gegenseitig umbringen sollten. Was meinst du, Papillon?«
»Eine einzige Frage: Wußtet ihr, was der Armenier vorhatte?«
»Mein Wort, Papi, wir wußten nichts davon. Und soll ich dir noch was sagen? Wenn ich’s gewußt hätte, hätte ich den Armenier daran gehindert.«
»Wenn das
so
ist, warum sollten wir dann nicht mit der ganzen Geschichte aufhören?« sagt Grandet.
»Einverstanden. Geben wir uns die Hand und sprechen wir nicht mehr von dieser traurigen Sache.«
»Einverstanden.«
»Ich bin Zeuge«, sagt Sylvain. »Ich bin froh, daß es so endet.«
»Sprechen wir nicht mehr davon.«
Abends um sechs läutet die Glocke. Das Läuten bringt mir, sosehr ich mich dagegen wehre, die schreckliche Szene wieder vor Augen, die sich vierundzwanzig Stunden vorher abgespielt hat: mein bester Freund aufrecht im Wasser auf das Boot zuschwimmend, und die gierigen Haie rund um ihn. Das Bild ist so grausig, daß ich jetzt, vierundzwanzig Stunden später, keine Sekunde lang bedaure, daß den Armenier und Sans-Souci jetzt das gleiche Schicksal trifft und ihre Körper von den Haien zerfleischt werden.
Galgani sagt kein Wort. Er weiß, was mit Carbonieri geschehen ist. Er blickt, ins Leere, mit den Beinen baumelnd, die rechts und links von seiner Hängematte herunterhängen. Grandet ist noch nicht zurück. Das Totengeläute ist schon seit gut zehn Minuten verstummt, da sagt Galgani, ohne mich anzublicken und immer mit den Beinen schaukelnd, leise: »Ich hoffe, daß kein Stück von diesem armenischen Schuft von einem derselben Haifische gefressen wird, die Matthieu verschlungen haben. Es wäre zu idiotisch, wenn die beiden, getrennt im Leben, sich nun im Bauch eines Haifischs wiederfinden würden.« Es wird wirklich eine Leere da sein, nach dem Verlust dieses edlen und ehrlichen Freundes. Ich muß so schnell wie möglich wieder fort von Royale. Jeden Tag wiederhole ich es mir.
Die Flucht der Irrsinnigen
»Da jetzt Krieg ist und die Strafen für eine mißglückte Flucht verschärft wurden, ist es nicht gerade der beste Zeitpunkt, bei einem Fluchtversuch aufzufliegen, nicht wahr, Salvidia?«
Der Italiener mit dem goldenen Stöpsel redet mit mir darüber im Waschraum, nachdem wir den Anschlag nochmals gelesen haben, worin uns die neuen Verordnungen im Falle einer Flucht zur Kenntnis gebracht werden. Ich sage ihm: »Wenn man auch die Todesstrafe riskiert, so wird uns das doch nicht hindern, davonzugehen. Was meinst du?«
»Ich hab’s satt bis dorthinaus. Papillon, und ich will flüchten, ganz gleich, was passiert. Ich hab angesucht, in der Station der Geisteskranken als Pfleger beschäftigt zu werden. Ich weiß, daß sich in der Speisekammer der Station zwei Fässer zu je hundertfünfundzwanzig Liter befinden, das genügt vollauf, um ein Floß zu bauen. Im einen ist Olivenöl, im anderen Essig. Das eine fest mit dem anderen verbunden, so daß sie sich unter keinen Umständen voneinander lösen könnten, das ergäbe, scheint’s mir, eine ernste Chance, bis aufs Festland zu kommen. Unter den Mauern,
die
das Gebäude der Geisteskranken umgeben, gibt es an der Außenseite keine Überwachung. Nur im Innern ist eine ständige Wache, ein Sanitätsgammler, dem einige Sträflinge bei der Beobachtung der Kranken helfen. Warum kommst du nicht mit mir da hinauf?«
»Als Pfleger?«
»Blödsinn, Papillon. Du weißt genau, daß man dir nie einen Posten im Asyl geben würde. So weit weg vom Lager, so schwach bewachtt dort werden sie dich auf keinen Fall hinschicken. Aber du könntest als Geisteskranker hinaufkommen.«
»Das ist ein bißchen schwierig, Salvidia … Sobald dich der Arzt als Übergeschnappten einstuft, gibt er dir mehr oder weniger das Recht, ungestraft allerhand anzustellen. Du wirst als einer betrachtet, der für seine Handlungen nicht mehr voll verantwortlich ist. Bist du dir bewußt, welche Verantwortung der Arzt damit übernimmt, daß er jemanden für geisteskrank erklärt und eine solche Diagnose unterschreibt? Du kannst einen Sträfling töten, sogar einen Aufseher, oder die Frau eines Aufsehers, oder ein Kind. Du kannst flüchten, jede Art von Verbrechen begehen, und die Justiz hat keinerlei Handhabe gegen dich. Das Äußerste, was sie dir antun können, ist, daß sie dich nackt
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