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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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wenig Lärm. Man spürt, daß irgendeine ernste Sache geschehen wird oder schon geschehen ist, »Ich habe meinen Schlitzer nicht mehr. Sie haben ihn mir geklaut bei der Durchsuchung.«
    »Du brauchst ihn nicht heute nacht.«
    »Warum?«
    »Der Armenier und sein Freund sind auf den Klos.«
    »Was tun sie dort?«
    »Sie sind tot.«
    »Wer hat sie kaltgemacht?«
    »Ich.«
    »Das ging aber schnell. Und die andern?«
    »Vier sind von ihrer Hütte noch übrig. Paolo hat mir sein Manneswort gegeben, daß sie sich nicht rühren werden und daß sie abwarten, ob du einverstanden damit bist, daß die Geschichte hiermit erledigt ist.«
    »Gib mir ein Messer.«
    »Da. Hier hast du meins. Ich bleib hier in der Ecke. Geh und sprich mit ihnen.«
    Ich gehe auf ihre Hütte zu. Jetzt haben sich meine Augen schon an das geringe Licht gewöhnt. Ich kann die Gruppe ausnehmen. Tatsächlich stehen die vier aufrecht vor ihren Hängematten, einer an den andern gepreßt.
    »Du willst mich sprechen, Paolo?«
    »Allein oder vor deinen Freunden? Was willst du von mir?«
    Klugerweise lasse ich einen Meter fünfzig zwischen ihnen und mir. Das offene Messer steckt unter meinem linken Ärmel, den Griff habe ich fest in der Hand.
    »Ich wollte dir sagen, daß dein Freund, glaube ich, genügend gerächt worden ist. Du hast deinen besten Freund verloren, wir haben unsere zwei verloren. Ich meine, daß wir jetzt damit aufhören können. Was hältst du davon?«
    »Paolo, ich nehme dein Angebot zur Kenntnis. Was man tun könnte, wäre, falls ihr einverstanden seid, daß sich die beiden Hütten verpflichten, innerhalb von acht Tagen nichts zu unternehmen. Dann werden wir weitersehen. Einverstanden?« . »Einverstanden.«
    Ich ziehe mich zurück.
    »Also, was haben sie dir gesagt?«
    »Sie glauben, daß Matthieu durch den Tod des Armeniers und den von Sans -Souci genügend gerächt ist.«
    »Nein«, sagt Galgani.
    Grandet sagt nichts.
    Jean Castelli und Louis Gravon sind einverstanden, einen Friedenspakt zu schließen.
    »Und du, Papi?«
    »Vorerst einmal – wer hat Matthieu getötet? Es war der Armenier. Gut. Ich habe ein Abkommen vorgeschlagen. Ich habe mein Wort gegeben und sie das ihre, daß während einer Woche keiner von uns etwas unternimmt.«
    »Du willst Matthieu
nicht
rächen?« sagt Galgani.
    »Höre, Matthieu ist schon jetzt gerächt, zwei mußten für ihn sterben. Wozu noch die andern töten?«
    »Nur – wußten die etwas davon? Das müßte man herauskriegen.«
    »Allen eine gute Nacht. Entschuldigt mich. Ich will schlafen, wenn ich kann.«
    Ich habe das Bedürfnis, allein zu sein, wenigstens das. Und ich strecke mich auf meiner Hängematte aus.
    Ich spüre, daß eine Hand über mich hinstreicht und mir vorsichtig das Messer wegnimmt. Eine Stimme flüstert zärtlich: »Schlaf, wenn du kannst, Papi, schlaf ruhig, wir werden dich abwechselnd bewachen.« Der Tod meines Freundes, so brutal, so abscheulich, geschah ohne wahres Motiv. Der Armenier hatte ihn getötet, weil er in jener Nacht von Matthieu gezwungen wurde, auf einen Sitz hundertsiebzig Franc zu bezahlen. Ein Dummkopf wie er fühlte sich so erniedrigt, weil er gezwungen war, vor dreißig oder vierzig Spielern zuzugeben, daß er kein Geld mehr hatte. So wird feig und hinterhältig ein Mann getötet, der von der Sorte eines anständigen und sauberen Abenteurertums war und in seinem Kreis Achtung genoß. Dieser Schlag hat mich schwer getroffen, und ich habe nur eine Genugtuung, daß die Mörder ihr Verbrechen nur ein paar Stunden überlebt haben. Wenig genug.
    Grandet hat sich wie ein Tiger auf sie gestürzt und ihnen mit der Schnelligkeit .seines Florettfechters den Hals durchgeschnitten, bevor sie noch Zeit hatten, sich vorzusehen. Ich stelle mir vor: der Ort, wo sie gefallen sind, muß in Blut schwimmen. Ich denke ganz blöd: Ich möchte gerne wissen, wer die in die Klos hineingezogen hat. Aber ich möchte nicht sprechen. Die Lider geschlossen, sehe ich in tragischem Rot und Violett die Sonne untergehen und mit ihren letzten Strahlen die Szene beleuchten, die einer Vision von Dante glich: Die Haifische streichen um meinen Freund… Und dieser aufrechte Körper, den Unterarm schon amputiert, bewegt sich auf unser Boot zu! … Es ist also wahr, daß die Glocke die Haifische herbeiruft und daß diese Aasfresser wissen, jetzt bekommen sie ein Menü serviert…
    Ich sehe noch Dutzende Rückenflossen vor mir, den grausigen silbernen Glanz, wie U-Boote, die sich im Kreise drehen … Sicher

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