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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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werden nicht mehr heraus können.
    Sylvain macht ununterbrochen Gymnastik, und ich lasse meine Schenkel von den kleinen Wellen massieren, stundenlang schlagen sie dagegen. Dieser unaufhörliche Anprall des Wassers an meine Schenkel und die Muskelanspannung, die nötig ist, um jeder Welle standzuhalten, haben mir Beine und Schenkel eisenhart gemacht.
    In einem unbenutzten Brunnen der Insel fand ich eine drei Meter lange Kette. Ich habe sie in die Schnüre hineingeknüpft, die meine Säcke zusammenhalten. Ich habe einen Bolzen durch die Ringe gesteckt. Im Fall großer Erschöpfung werde ich mich mit der Kette an die Säcke binden. Vielleicht kann ich auf diese Art sogar schlafen, ohne ins Wasser zu fallen und mein Floß zu verlieren. Falls sich die Säcke drehen, wird mich das Wasser aufwecken, und ich kann sie wieder in die richtige Lage bringen.
    »Nun, Papillon – nur noch drei Tage.« Wir sitzen auf der Bank von Dreyfus und beobachten Lisette.
    »Ja, nur noch drei Tage, Sylvain. Ich hab Vertrauen, daß es uns gelingt. Und du?«
    »Bestimmt, Papillon. Dienstag nacht oder Mittwoch früh sind wir im Busch. Und dann sind wir fein heraus!«
    Tschang wird uns die je zehn Kokosnüsse reiben. Außer den Messern nehmen wir zwei Buschmesser mit, aus dem Werkzeuglager gestohlen. Das Lager Inini liegt im Osten von Kourou. Wenn wir am Morgen gegen die Sonne gehen, können wir die Richtung nicht verlieren.
    »Montag früh Santori verrückt«, meint Tschang. »Ich ihm sagen, ich euch drei Stunden nicht gesehen.«
    »Und warum willst du nicht zu ihm hinlaufen und sagen, daß uns beim Fischen eine Welle fortgetragen hat?«
    »Nein, ich einfach sagen: ›Chef, Papillon und Sylvain nicht gekommen zur Arbeit heute. Ich allein fressen geben Schweinen.‹ Sonst nichts.«
Die Flucht von der Teufelsinsel
    Sonntag, sieben Uhr abends. Ich bin soeben aufgewacht, nachdem ich seit Samstag früh freiwillig geschlafen habe. Der Mond geht nicht vor neun Uhr auf, draußen ist also schwarze Nacht. Wenige Sterne am Himmel. Große Regenwolken fliegen über unsere Köpfe hinweg. Wir sind aus der Baracke herausgetreten. Da oft heimlich in der Nacht gefischt wird oder man sogar auf der Insel spazierengeht, denken sich die anderen nichts dabei.
    Ein kleines Bürschchen kommt mit seinem Liebhaber, einem bediensteten Araber, vorüber. Sie haben sicherlich in irgendeinem Winkel miteinander geschlafen. Während ich ihnen zusehe, wie sie die Planke heben, um in die Baracke zurückzuschlüpfen, schießt mir der Gedanke durch den Kopf, daß es für den Bock da das höchste Glück sein muß, zwei- oder dreimal am Tag seinen Freund umarmen zu können. Daß er hier seine erotischen Bedürfnisse völlig sättigen kann, macht das Bagno für ihn zum Paradies. Bei seinem Liebchen ist’s dasselbe. Er wird so seine dreiundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt sein. Sein Körper ist nicht mehr ganz der eines Epheben, es ist ihm nicht vergönnt, nur im Schatten zu leben, um sich seine milchweiße Haut zu erhalten, und so ist er eigentlich kein Adonis mehr. Dennoch gibt es im Bagno mehr so Schätzchen, als man es sich in der Freiheit erträumen könnte. Außer seinem Herzliebsten kann sich so ein Zicklein auch noch Kunden für fünfundzwanzig Franc pro schwacher Stunde suchen, nicht anders als eine Hure vom Boulevard Rochechouart. Abgesehen von dem Vergnügen, das ihm diese Kunden bereiten, zieht er ihnen auch noch das Geld aus der Tasche, um mit seinem eigentlichen »Mann« bequem leben zu können.
    Sie beide und ihre Kunden ergeben sich völlig ihrem Laster, und vom ersten Tag an, da sie ihren Fuß ins Lager setzten, haben sie nur einen einzigen Gedanken gehabt: Sex. Der Staatsanwalt, der sie zu bestrafen geglaubt hat, als er sie auf den Weg zur Hölle brachte, ist dabei glatt gescheitert. Denn inmitten all dieser Fäulnis haben sie ihr Glück, ihren Himmel gefunden.
    Nachdem sich die Planke hinter dem Ärschlein des kleinen Homo geschlossen hat, sind wir wieder allein, Tschang, Sylvain und ich.
    »Gehen wir.« Wir erreichen die Nordspitze der Insel. Wir ziehen die beiden Flöße aus der Grotte. Folge davon: wir sind alle drei gleich naß. Der Wind pfeift mit dem charakteristischen Heulen des Sturmwindes über der entfesselten See. Sylvain und Tschang helfen mir, mein Floß auf den Felsen hinaufzuschieben. Im letzten Augenblick entschließe ich mich, meine linke Hand an den Sack anzubinden. Ich habe plötzlich Angst, ihn zu verlieren und ohne ihn weggeschwemmt zu

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