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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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ich nicht genug frei beweglich. Schließlich ist es mir gelungen, die Kette nur an einer Seite des Sackes hängen zu lassen, aufrecht neben den Säcken herzuschwimmen und wieder Atem zu schöpfen. Ich versuche, mich ganz von der Kette zu befreien, aber meine Finger sind jetzt vor nervöser Anspannung so ungeschickt, daß ich wütend über mich selbst werde.
    Uff! Endlich ist es geglückt. Ich habe scheußliche Minuten hinter mir, ich war halb wahnsinnig, weil ich glaubte, es werde mir nicht gelingen, mich von der Kette zu befreien.
    Ich mache mir nicht die Mühe, das Floß umzudrehen. Ich bin zu erschöpft, traue mir diese Anstrengung nicht zu. So schwinge ich mich einfach hinauf. Was macht das schon, daß jetzt das Unterste zuoberst gekehrt ist?
    Ich werde mich nie mehr anbinden, nicht mit der Kette, mit nichts. Jetzt habe ich erlebt, was für ein Blödsinn von allem Anfang an das war, mich am Handgelenk anzubinden. Diese eine Erfahrung genügt mir.
    Unerbittlich brennt mir die Sonne auf Arme und Beine, mein Gesicht glüht wie Feuer. Ich glaube, daß es beim Befeuchten schlimmer wird, denn das Wasser verdunstet im Nu, und dann brennt es noch mehr. Der Wind hat sich gelegt, und wenn dadurch auch die Reise bequemer wird, denn die Wellen sind nun weniger hoch, so komme ich auch weniger schnell vorwärts. Es wäre also besser, wir hätten mehr Wind und hohen Seegang als diese Ruhe.
    Ich habe so starke Krämpfe im linken Bein, daß ich schreie, als ob mich jemand hören könnte. Mit dem Finger bekreuzige ich die verkrampfte Stelle, weil ich mich daran erinnere, daß meine Großmutter immer gesagt hat, das hilft. Leider nützte der Altweiberrat gar nichts. Die Sonne wird bald untergehen. Es muß ungefähr vier Uhr nachmittag sein. Seit unserem Aufbruch ist das jetzt der vierte Flutwechsel. Dieser da scheint mich stärker als die anderen gegen die Küste zu stoßen.
    Nun kann ich Sylvain ununterbrochen sehen, und er mich. Nur sehr selten verschwindet er noch, denn die Wellen sind wenig tief. Er hat sein Hemd ausgezogen, sein Oberkörper ist nackt. Sylvain gibt mir Zeichen. Er ist mehr als dreihundert Meter von mir weg, aber mehr seitlich. Er scheint mit den Händen zu rudern, dem leichten Schaum nach, der rund um ihn her ist. Man könnte meinen, daß er sein Floß bremsen möchte, damit ich näher zu ihm herankomme. Ich strecke mich auf meinen Säcken aus, tauche die Arme ins Wasser und rudere. Wenn er bremst und ich mich vorwärts stoße, kann da nicht vielleicht die Entfernung zwischen uns kleiner werden? Ich habe mir genau den richtigen Kumpel für diese Flucht ausgesucht. Er ist hundertprozentig auf der Höhe.
    Ich habe aufgehört zu rudern. Ich spüre, daß ich davon müde werde, und ich muß mich bei Kräften erhalten.
    Ich werde versuchen, das Floß umzudrehen, um zu essen. Der Eßbeutel hängt unten, ebenso die geklaute Feldflasche mit dem Trinkwasser. Ich habe Durst und Hunger. Meine Lippen sind schon aufgesprungen und brennen. Die beste Art, die Säcke umzudrehen, ist die, daß ich mich an sie anhänge, mich mit den Füßen quer zur Welle vorwärtsstoße und in dem Moment, da die Welle auf der Höhe angekommen ist, die Drehung vollziehe.
    Nach fünf Versuchen glückt es mir, das Floß mit einem einzigen solchen Schwung umzudrehen. Ich bin ganz erschöpft von den Anstrengungen, die mich das gekostet hat, und turne mit Mühe auf meine Säcke hinauf.
    Die Sonne steht schon ganz niedrig am Horizont, gleich wird sie weg sein. Sechs Uhr also. Hoffentlich ist die Nacht nicht zu bewegt, denn mir ist klargeworden, daß es das langandauernde Eintauchen ins Wasser ist, was mir die meisten Kräfte raubt.
    Ich trinke aus Santoris Feldflasche einen tüchtigen Schluck, und nachher esse ich zwei Handvoll Kokosfleisch. Die Höhe des Genusses ist dann die Zigarette. Ich rauche sie mit Behagen. Bevor die Nacht einbricht, schwenkt Sylvain sein Tuch und ich das meine. Als Gutenachtgruß. Er ist noch immer gleich weit von mir entfernt. Ich sitze mit ausgestreckten Beinen auf dem Floß. Eben habe ich so gut wie möglich meine Wolljoppe ausgewrungen und ziehe sie an. Diese Joppen halten, selbst wenn sie durchnäßt sind, warm. Und sobald die Sonne hinunter ist, fällt augenblicklich die Kälte über einen her.
    Wind kommt auf. Nur die Wolken am Horizont im Westen sind in rosa Licht getaucht. Alles übrige liegt jetzt im Halbdunkel, das von Minute zu Minute wächst. Im Osten, von wo der Wind herkommt, sind keine Wolken.
    Folglich ist im

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